Rumänischer Regierung bläst der Gegenwind ins Gesicht
Von Silviu Mihai
In den Knast, nicht an der Macht! – so tönen seit Wochen die Sprechchöre durch die Piat,a Victoriei in der rumänischen Hauptstadt Bukarest; der überdimensionierte Vorplatz der Regierungszentrale ist fast jeden Tag rappelvoll mit Menschen und Fahnen. Die Proteste richten sich gegen die Ende Januar durch das sozialdemokratische Kabinett per Eilverordnung beschlossene Änderung des Strafgesetzbuches, die vor allem der Führungsriege der Regierungspartei Partidul Social Democrat (PSD) genutzt hätte. Und einen Teilsieg hat die Straße bereits erzielt: Ministerpräsident Sorin Grindeanu gab bekannt, er wolle »Rumänien nicht spalten« und verzichte auf jenen Gesetzestext, der manche Formen von Amtsmissbrauch oder Interessenkonflikt entkriminalisiert hätte und die heftigsten Proteste seit der Wende auslöste.
Doch die Proteste gehen weiter, denn glaubwürdig ist Grindeanu für die Hunderttausenden Menschen auf dem Siegesplatz nicht mehr, die meisten fordern schon – einen Monat nach den Wahlen – seinen Rücktritt. Trotz Aufhebung der umstrittenen Verordnung befürchten viele Demonstranten, dass die Politiker zu einem späteren Zeitpunkt erneut versuchen könnten, sich durch weitere Gesetzesnovellen, etwa durch einen bereits dem Parlament vorgelegten Entwurf zur Begnadigung bestimmter Straftaten, selbst zu retten.
Von der mittlerweile zurückgezogenen Verordnung hätte die regierende PSD selbst besonders profitiert, allen voran ihr Vorsitzender Liviu Dragnea, dem die Staatsanwälte Anstiftung zum Amtsmissbrauch vorwerfen. Zahlreiche amtierende oder frühere Minister, Abgeordnete und Bürgermeister, die ihre Verwandten und Geschäftspartner begünstigt, Luxuswagen aus EU-Geldern gekauft oder Aufträge überteuert vergeben haben, wären ähnlich wie Dragnea ihre Probleme mit der Justiz losgeworden.
Chef-Staatsanwältin Laura Codrut,a Kövesi, die Leiterin der Sonderabteilung für die Bekämpfung der großen Korruption (DNA), kritisiert aufs Schärfste die noch nicht komplett aufgegebenen Pläne der Regierung, die ihr einen Strich durch die Rechnung machen könnten: »Diese Verordnung wäre eine Katastrophe gewesen. Wir hätten über 2 500 Akten einfach in den Müll werfen und auf rund eine Milliarde Euro Schadenersatz verzichten müssen«, stellt Kövesi fest. »Und selbst jetzt kann das Parlament ja jederzeit diese oder andere Lockerungen des Strafgesetzbuchs verabschieden. Jeden Tag müssen wir mit dieser Angst leben.«
Patriarch Daniel, das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche, der 85 Prozent der Rumänen angehören, verurteilte in ungewöhnlich scharfen Worten die »Gier« als Ursache der Korruption. Unglücklich nur, dass einige orthodoxe Geistliche selbst in Veruntreuungsskandale verwickelt sind.
Staatspräsident Klaus Johannis, der dem bürgerlichen Lager angehört und sich als Garant der Korruptionsbekämpfung präsentiert, fordert die Bildung einer neuen Regierung und stellt sich deutlich auf die Seite der Demonstranten. Die präsidiale Inszenierung ist jedoch mit einem Hauch Skepsis zu betrachten, denn der Präsident selbst ist in eine Immobilienaffäre um ein gefälschtes Testament verwickelt, genießt aber laut Verfassung während seiner Amtszeit absolute Immunität.
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