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Türken in Deutschland: Auf der Suche nach der Heimat?

Von Annemarie Heibrock

Die Partei des türkischen Präsidenten Erdogan versteht es meisterhaft, die Suche vieler Deutsch-Türken nach Heimat und Identität für ihre Ziele auszunutzen. Im Moment eskaliert die Lage, und allem Anschein nach wird sich daran bis zum Tag des Referendums über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei am 16. April nichts ändern. Präsident Recep Tayyip Erdogan wird weiter provozieren und den Feind außen suchen, um im Inneren die Menschen hinter sich zu scharen.
Während die Niederlande klare Kante zeigen, ist Deutschland noch auf der Suche nach dem richtigen Weg. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen grünes Licht dafür gegeben, die umstrittenen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker hierzulande zu untersagen, weil diese sich nicht auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen können. Nun ist es an der Bundesregierung, zu entscheiden und den Kommunen die Last der Verantwortung von den Schultern zu nehmen. Der Streit um die Wahlkampfauftritte ist eine Frage der Außenpolitik. Das hat auch das Verfassungsgericht festgestellt.
Unabhängig aber von der weiteren Entwicklung in dieser Sache haben die Diskussionen ein innenpolitisches und gesellschaftliches Problem offenbart, und das hat mit den in Deutschland lebenden Türken zu tun: Was ist es, das sie in großen Scharen einem Mann in die Arme treibt, der aus seinem Land eine Diktatur machen will?
Ratlos steht man davor und fragt sich: Haben diese Menschen die Werte der Demokratie und die damit verbundenen politischen Rechte, von denen doch wir alle profitieren, nicht schätzen gelernt? Haben sie nicht verstanden, wohin Diktaturen führen können?
Das mag so sein, muss aber nicht. Denn vielleicht geht es im Kern ja gar nicht um Politik, wenn Tausende in deutschen Hallen die türkischen Fahnen schwenken. Vielleicht geht es um etwas viel Tieferes. Um die eigene Identität? Um die Suche nach Heimat? Nach Verankerung? Einer Verankerung, die eine große Zahl von Deutsch-Türken offenbar in der deutschen Gesellschaft nicht findet. Fachleute warnen schon seit Langem, dass sich viele von ihnen nicht angenommen, nicht wertgeschätzt fühlen. Sie schwimmen zwischen zwei Kulturen, zwei Identitäten.
Wer dafür die Verantwortung trägt, ist schwer festzumachen. Erdogans Partei AKP jedenfalls versteht es meisterhaft, diese Gemütslage für ihre Ziele auszunutzen. Immerhin erhielt sie 2015 etwa 60 Prozent der Stimmen der in Deutschland lebenden Türken. In der Türkei erreichte sie nur etwa 50 Prozent.
Die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die Politik müssen diese Realitität ernst nehmen. Dazu gehört, auf allen Ebenen die Ohren zu öffnen – übern Gartenzaun und auf politischer Bühne, nicht über »die Türken« zu reden, sondern mit ihnen. Denn es wäre fatal, wenn sich die größte Minderheit in Deutschland innerlich von diesem Land und seinen Werten lossagen würde.
Am Ende muss es so sein wie mit der AfD oder Pegida, deren Ziele ebenso schwer nachvollziehbar sind wie die der Erdogan-Anhänger: Wir müssen sprechen. Nicht als Türken oder Deutsche. Als Menschen. Das ist zwar mühsam, aber der einzige Weg zum Fortbestand des sozialen Friedens.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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