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Unsere fatale Lust auf Brust

Die Reste der Reste unseres Wohlstands: Auf den afrikanischen Märkten landen Hühnerfüße und -flügel – bei den Dumpingpreisen der Fleischimporte haben die lokalen Geflügelzüchter das Nachsehen. | Foto: Francisco Mari
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  • Die Reste der Reste unseres Wohlstands: Auf den afrikanischen Märkten landen Hühnerfüße und -flügel – bei den Dumpingpreisen der Fleischimporte haben die lokalen Geflügelzüchter das Nachsehen.
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Das globale Huhn: Nieder­ländische Hähnchenfüße in Kamerun, deutsche Hühnerherzen in Togo – weil wir Europäer das zarte Brustfilet des Hähnchens lieben, landen die übrigen Fleischteile seit den 1990er-Jahren zunehmend auf afrikanischen Märkten.

Von Francisco Mari

Der Preiskampf um das billigste Schnitzel und die günstigste Hähnchenkeule in den Discountermärkten hat bei uns in Europa dazu geführt, dass wir uns fast schon täglich die edelsten Fleischteile, wie Hähnchen- oder Schweinefilet, leisten können. Andere Teile, die noch billiger sind, finden immer weniger Absatz. Ganze Hühner sind nur selten in den Auslagen der Supermärkte zu finden.
Dies hat nicht nur Folgen für Tiere und Menschen in Deutschland. Die intensive Haltung und Mast haben zu einer Übersättigung des Marktes geführt, der nur noch funktioniert, wenn zumindest die billigen Restteile in Märkte außerhalb der EU exportiert werden. Auf der anderen Seite wäre der enorme Anstieg der Fleischproduktion ohne den massiven Import von Futtermitteln nicht möglich.
So kommt das Futter für unser Huhn zu großen Teilen aus Südamerika. Dort wird immer mehr Wald für den Sojaanbau gerodet oder Land für Nahrungsmittel umgewidmet. Dabei scheuen sich die Sojabarone in Paraguay oder Argentinien nicht, arme Bauern von ihrem Land zu vertreiben. Auf riesigen Feldern wird unter Einsatz von genverändertem Saatgut und Tonnen von Pestiziden Soja für die europäische Tiermast produziert.
Gleichzeitig verursacht unser Luxus, nur noch das Hähnchenfilet auf den Teller zu bringen, Unmengen von Resten, wie Hähnchenschenkel, Rückenteil oder Flügel. Diese Reste gehen auf Exportmärkte: Russland, China und der Nahe Osten nehmen viel davon zu guten Preisen ab. Aber bei Weitem nicht alles. Und so landet immer mehr Geflügelfleisch, sozusagen die Reste der Reste, in Afrika. Im vergangenen Jahr hat die EU ihre Exporte von Geflügelfleisch nach Afrika auf 680 Millionen Kilogramm erhöht. Das ist ein Anstieg von zehn Prozent gegenüber 2015. Da der Verkauf der in Europa begehrten Hähnchenfilets bereits gewinnbringend ist, wurden die Ausfuhrpreise von Hähnchenteilen auf durchschnittlich 0,75 Euro pro Kilogramm gedrückt.
Natürlich freute sich zunächst die städtische Bevölkerung in Afrika über die billigen Hähnchenschenkel. Aber nicht lange, denn die fehlenden Kühlketten und ständige Stromausfälle machen aus den gefrorenen Teilen auf offenen Marktständen bei 30 Grad Hitze hervorragende Brutstätten für Salmonellen. Die Folgen des billigen Fleischimports sind katastrophal: Kleinbauern in Afrika, die sich mit eigener Hühnerhaltung einen kleinen Zusatzerwerb aufbauen, können ihre Tiere zu solchen Dumpingpreisen nicht mehr verkaufen. Besonders Bäuerinnen, die sich meist um die Tiere kümmern, fehlen die Bargeldeinnahmen für Schulgeld, Medikamente oder Transport. Und ist nach einiger Zeit das lokale Fleischangebot von den Märkten verschwunden, werden die Preise, wie in Ghana geschehen, verdreifacht.
Dabei könnten mit den rund 500 Millionen Euro, die Afrika für Fleisch­importe zahlt, Hunderttausende Arbeitsplätze in der Hühnermast, im Futtermittelanbau, im Zwischenhandel und in der Schlachtung geschaffen werden.
In Liberia kommt nach Ebola und Bürgerkrieg die Tierhaltung nicht wieder auf die Beine, weil zum Beispiel Geflügelfleisch aus Europa für nur 0,48 Euro pro Kilogramm importiert wird. Auf dem Markt in der Hauptstadt Monrovia kostet ein Kilo Hähnchenschenkel allerdings 2,50 Euro – die Verbraucher haben also nichts davon. So machen Importeure und die EU-Schlachtindustrie das große Geschäft auf dem Rücken der Kleinmäster in Afrika.
Es ist trotzdem nicht einfach für afrikanische Staaten, den Import zu verbieten und ihre Landwirtschaft vor Billigprodukten zu schützen. Einmal gibt es, wie in Liberia, nicht sofort lokale Alternativen, zweitens sind die Schutzregeln des Welthandels für arme Länder nicht so einfach anzuwenden. Nun bietet die EU Afrika neue Handelsverträge an, die es den afrikanischen Staaten noch schwieriger machen, schon bestehende Billigimporte zu beschränken: die EU–Afrika-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.
In Kamerun hat übrigens eine breite Bürgerbewegung schon vor 10 Jahren die Regierung dazu gezwungen, die Handelsregeln zu brechen und den Import von EU-Hähnchenteilen zu verbieten. Das lokale Geflügelangebot hat sich daraufhin verzehnfacht und der Preis ist stabil geblieben. Auch so kann man Arbeitsplätze schaffen und Menschen bei sich eine Zukunft bieten.
Neue faire Handelsbeziehungen zu Afrika sind notwendig, aber das Exportproblem ließe sich auch lösen, wenn sich Fleischproduktion und -konsum bei uns verändern, was auf Kosten der Menschen in Südamerika und Afrika geht. Wir können mit unserem bewussten Einkauf konkret zur Verbesserung beitragen, denn nicht nur der Preis ist ausschlaggebend. Es geht auch um die Fragen: Wo kommt das Huhn her? Wie wurde es gehalten? Und was kann ich eigentlich alles kochen aus einem Huhn? Wie wäre es bei kühler werdenden Temperaturen mal mit einer selbstgekochten Suppe aus einem ganzen Suppenhuhn?

Der Autor ist Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei »Brot für die Welt«; er lebte mehrere Jahre in Kamerun und ist Autor des Buches »Das globale Huhn«.
www.brot-fuer-die-welt.de/themen/haehnchenexport/

Die Reste der Reste unseres Wohlstands: Auf den afrikanischen Märkten landen Hühnerfüße und -flügel – bei den Dumpingpreisen der Fleischimporte haben die lokalen Geflügelzüchter das Nachsehen. | Foto: Francisco Mari
Gefahr für die Gesundheit: Auf den meisten Märkten werden die einst gefrorenen Teile ungekühlt auf den Tisch liegend angeboten – und nach Nicht-Verkauf in instabilen oder verrosteten Kühltruhen wieder »eingefroren«. | Foto: Francisco Mari
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Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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