Von Gott erhoben?
Gottgewollter Reichtum: Das Wohlstandsevangelium passt zum »American Dream« – jedem Menschen, der es verdient, verspricht es Gesundheit, geordnete Verhältnisse und materiellen Erfolg. Trump ist ein Anhänger dieser Lehre.
Von Konrad Ege
Der Mann im Weißen Haus ist ein Novum für Theologen und Religionsforscher: Donald Trump sei der erste US-Präsident, »dessen einzige religiöse Impulse vom amerikanischen Wohlstandsevangelium kommen«, analysierte die Historikerin Kate Bowler. Noch nie habe diese Glaubenslehre mit dem Kerngedanken, materielle Güter seien Beweis für Gottes Gunst, einen mächtigen Fürsprecher gehabt in den Korridoren der Macht.
Bowler von der Duke Universität in Nord Carolina ist Autorin des Buches »Blessed: A History of the American Prosperity Gospel« (Gesegnet: Die Geschichte des amerikanischen Wohlstandsevangeliums). Das Wohlstandsevangelium sei »sehr viel weiter verbreitet« als gemeinhin angenommen, sagte Bowler bei einer Religionskonferenz. Da können »gestandene« Theologen noch so oft sagen, dass der Gekreuzigte keine Luxusvillen versprochen habe.
Eine Heimat haben Versionen des Wohlstandsevangeliums in vielen Megakirchen und manchen pfingstkirchlich und evangelikal orientierten Gemeinden. Und offenbar auch bei Trump-Wählern. Häufiger Trump-Wahlkampfredner war der afro-amerikanische Pastor Mark Burns aus Süd Carolina. Gott habe ihn von der Armut und Lebensmittelmarken und Sozialwohnungen zu einem Leben im Wohlstand geführt, erzählte Burns. Jesus wolle doch, dass es seinen Jüngern gut gehe. Donald Trump repräsentiere diesen Wunsch.
Als dessen »spirituelle Beraterin« gilt die (wie der Präsident zum dritten Mal verheiratete) Fernsehpredigerin und Megakirchenpastorin Paula White, die mit strahlender Zuversicht verkündet, Gott verheiße Gläubigen ein Leben im Überfluss. Gott habe Menschen den »freien Willen gegeben«, sodass sie sich für Glück entscheiden könnten. Man müsse positiv denken und Chancen ergreifen.
Die Pastorin vom New Destiny Christian Center in Apopka in Florida, angeblich mit einem Apartment im Trump Tower in Manhattan, ist nach eigenen Angaben seit 16 Jahren mit Trump persönlich bekannt. Bei der Amtseinführung sprach White ein Gebet. Auf Fotos von Trumps evangelikalem Beraterkreis fällt die schick gekleidete blonde Frau auf unter all den grauen Männern. In einer Talkshow sagte sie jüngst, Gott habe Trump erhoben: »Wer gegen den Plan Gottes kämpft, kämpft gegen die Hand Gottes.«
Das Wohlstandsevangelium, das sich zusehends auch in Westafrika ausbreitet, passt zum amerikanischen Selbstimage, die Nation sei etwas Besonderes und könne erreichen, was sie erreichen wolle. Es sei »eine Ritualisierung des amerikanischen Traums von aufsteigender Mobilität«, bei dem man bei »richtigem Glauben« mit allen Problemen fertig werden könne, erläuterte Bowler.
Zur Prominenz kam das »prosperity gospel«, bekannt auch als das Evangelium von Gesundheit und Reichtum, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Prediger heilten. Fernsehsendungen verbreiteten die vermeintliche Hoffnung. Dass der Prediger einen opulenten Lebensstil führte, bestätigte seine Botschaft.
Als junger Mann hat Trump mit seinen Eltern Predigten des New Yorker Selbsthilfepublizisten Norman Vincent Peale besucht, dem zufolge »positives Denken« aus Wünschen Realität macht. Donald sei begeistert gewesen, zitierte die »Washington Post«. Peale »konnte 90 Minuten lang sprechen und die Zuhörer haben sich aufgeregt, als er Schluss machte«.
Einer der bekanntesten Prediger aus dem Spektrum des Wohlstandsevangeliums ist Joel Osteen, ein »wahrer Freund«, wie Trump einmal twitterte. Seine mit 16 000 Sitzplätzen ausgestattete Lakewood Church in Houston ist eines der größten Gotteshäuser in den USA. Während der Flutkatastrophe »Harvey« Ende August bekam Osteen Image-Probleme: Seine Kirche habe anfangs ihre Türen nicht aufgemacht für vor den Wassermassen bedrohte Menschen, hieß es in Medienberichten.
Die Religionswissenschaftlerin Anthea Butler erläuterte in der »New York Times«: Der »spektakulär reiche« Osteen hätte seine Kirche doch frühzeitig als ein Logistikzentrum für die Stadt zur Verfügung stellen oder Obdach anbieten können. Stattdessen habe er Twitter-Botschaften verbreitet, man dürfte nicht »zum Zweifel und zur Furcht hin treiben« und müsse »verankert bleiben in der Hoffnung«.
Naturkatastrophen seien außerordentlich schwierige Krisen für Menschen wie Osteen (und Trump), schrieb Butler.
»In Ihnen steckt ein Gewinner«, verheißt Osteen Lesern seiner Büchern. »Sie wurden dazu geschaffen, erfolgreich zu sein.« Diese Botschaft ist schwer zu vermitteln an Evakuierte, die um ihre Wohnungen bangen und den in den Fluten abgesoffenen Pkw, und nicht mehr haben als die nassen Kleider am Leib.
Osteen hat die Kritik in den Medien gekontert, mit seinem gewohnten Charme und freundlichem Lächeln. Die Stadt Houston habe Lakewood gar nicht um Obdachgewährung gebeten, sagte er im NBC Fernsehen. »Wir wären ein Zufluchtsort geworden, wenn sie uns zuerst gefragt hätten.« Lakewood sei Verteilungszentrum für Hilfsgüter, und »wir werden noch in fünf Jahren hier sein, um diesen Menschen zu helfen«. Er fühle sich gut dabei.
Der Präsident reiste zweimal ins texanische Katastrophengebiet. Er brachte eine ausgesprochen positive Botschaft. Der Wiederaufbau werde viel schneller gehen als erwartet, sagte Trump. Und die Anstrengungen seien »eine wunderbare Sache. Sogar für die Nation und die Welt beim Zuschauen, es war wunderbar.«
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