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Wenn der Messias kommt

Beim Kirchentag in Berlin gibt es ein Podiumsgespräch Barack Obamas mit Angela Merkel – von nicht wenigen als Wahlkampfhilfe für die Kanzlerin auf Kosten der Kirchensteuerzahler kritisiert. Peter Hahne nannte den ehemaligen US-Präsidenten in diesem Zusammenhang einen »abgehalfterten Messias«.

Von Markus Springer

Was glaubt Barack Obama eigentlich? Wie wurde er Christ? Oder ist Obama doch heimlicher Moslem, wie nicht wenige seiner Gegner meinen? Bei den Angriffen, denen er sich vor und während seiner Amtszeit als US-Präsisident ausgesetzt sah, ging es auch immer wieder um die Gretchenfrage nach der Religion.
Obama war 23, als er 1985 – inspiriert von der Bürgerrechtsbewegung – als Sozialarbeiter für Kirchen in der schwarzen und armen »South Side« von Chicago anfing. Seine Aufgabe: Programme entwickeln zur Berufsberatung für Arbeitslose, zur Nachmittagsbetreuung von Schülern, Hilfe bei Behördengängen. Immer wieder hätten ihn die Pastoren seiner Kirchen gedrängt, sich zum Glauben zu bekennen, weil das seine Arbeit glaubwürdiger erscheinen lasse. Aber so einfach wollte es sich der junge Barack Obama, der selbst zwischen den Rassen, Religionen und Kontinenten aufgewachsen ist, eben gerade nicht machen.
Er ist das Kind einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters, 1961 in Honolulu auf Hawaii geboren. Seine Mutter Ann war noch keine 19 Jahre alt, sein Vater Barack 25, beide studierten noch. Sein Vater stammte aus einer muslimischen kenianischen Familie, seine Mutter aus einer christlichen. Die Religion ihrer Elternhäuser praktizierten beide nicht. Nach drei Jahren ließen sich Obamas Eltern scheiden, seine Mutter promovierte in Anthropologie und ging nach Indonesien in die Entwicklungshilfe. Dort heiratete sie erneut. Auch Obamas Stiefvater Lolo Soetoro war säkularer Moslem.
Obama besuchte eine katholische Schule, ging mit seiner Mutter aber auch in Moscheen und buddhistische Tempel, wie sie zuvor in den USA in Kirchen gegangen waren: Ihr Sohn sollte einen möglichst weiten Horizont erhalten, Ehrfurcht vor den Weltreligionen und der Schöpfung lernen. 1971 kehrte Obama nach Hawaii zurück, wo er bei seinen weißen Großeltern aufwuchs.
Von seiner Mutter habe er sich die Skepsis gegenüber allen religiösen Absolutheitsansprüchen und eine »säkulare« Seite seines Glaubens bewahrt, sagte Obama später. Glaube müsse immer auch Raum für den Zweifel bieten. »Im Namen von religiösen Gewissheiten wird auf der Welt eine Menge Schaden angerichtet.«
Als Barack mit dem Studium beginnt, erst in Kalifornien, später in New York, spielt die Religion in seinem Alltag noch keine Rolle. Doch dann, in der South Side Chicagos, verbringt er »unglaublich viel Zeit mit ›Church Ladies‹ zwischen 50 und 60«, wie sich Obama in einem Interview erinnert hat. Das blieb nicht ohne Folgen. Nicht zuletzt durch sie habe er den Wert und die lebendige Tradition der schwarzen Kirche kennen und lieben gelernt.
Barack Obama besuchte regelmäßig die Gottesdienste in der Trinity United Church of Christ, und irgendwann 1988 hat er dann auf einen »Altarruf« von Pfarrer Jeremiah Wright geantwortet. Weltweit bekannt gemacht hat dieses »evangelikale Sakrament« der baptistische Erweckungsprediger Billy Graham. Auch Barack Obama folgte im Gottesdienst einem solchen Aufruf, trat vor zum Altar und bekannte vor der Gemeinde, er übergebe fortan sein Leben dem Herrn und Heiland Jesus Christus. »Als ich unter dem Kreuz kniete, hörte ich, wie mich der Geist Gottes ansprach«, so beschrieb er später diesen Moment.
2004 ging Obamas Stern im ganzen Land auf. Der junge schwarze Senator aus Illinois wurde immer populärer – und immer heftiger angefeindet. Mit Erdrutschsiegen gewann er erst die demokratischen Vorwahlen, dann die Wahl zum US-Senat in seinem Heimatstaat. Der Slogan seiner Kampagne stammte aus einer Predigt, die Trinity-Pastor Jeremiah Wright 1990 gehalten und die Obama nachhaltig beeindruckt hatte: »The Audacity of Hope – Die Kühnheit der Hoffnung«. Das Motto »Hoffnung« sollte Obama bis ins Präsidentenamt tragen.
Obama ist ein charismatischer Redner. In einem Interview hat er auch das in einen kirchlichen Kontext gestellt. Manchmal schielten Prediger auf ein »Amen« der Gemeinde oder Applaus. Doch es gebe Momente in Predigten, in denen der Geistliche aus seinem Ego heraustrete und aus einer tieferen Quelle heraus spreche, sagte Obama auf die Frage nach dem Heiligen Geist. »Wenn ich selbst vor Menschen spreche und ich sage etwas Wahres, dann spüre ich eine Kraft, die aus diesen Worten kommt, die anders ist, als wenn ich nur schlagfertig oder clever bin.«
Seit er die landesweite politische Bühne betrat, haben seine Gegner immer wieder die Identität Barack Obamas infrage gestellt und angegriffen. Für seine Gegner war es eine geradezu perfide Strategie, Barack Obama angesichts dessen zweiten Vornamens Hussein als Muslim zu bezeichnen. Der Präsident reagierte mit einem öffentlichen Glaubensbekenntnis: »I am a Christian by choice«, erklärte er. Ein Satz, für den es keine eindeutige deutsche Übersetzung gibt. Mit der Formulierung seines »Wahlchristentums« drückte Obama aus, dass ihm der christliche Glaube nicht in die Wiege gelegt worden sei. In »Christian by choice« klingt aber auch an, Obama sei »ganz bewusst Christ«.
Aus seiner Amtszeit ist bekannt, dass er jeden Tag mit der Lektüre eines spirituellen Textes aus der Bibel oder der Tradition begonnen hat. Beim Nationalen Gebetsfrühstück 2011 sagte Obama: »Mein christlicher Glaube hat sich für mich als tragende Kraft erwiesen in diesen letzten Jahren, und dies umso mehr, als Michelle und ich immer wieder erfahren, dass unser Glaube infrage gestellt wird.«
Auch sein Auftritt beim Kirchentag in Berlin wird das vermutlich nicht ändern.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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