Ein Geschenk wieder neu entdecken
Die Internationale Allianzgebetswoche 2018 steht unter dem Motto »Als Pilger und Fremde unterwegs«. Über seine Erfahrungen mit dem Gebet sprach Willi Wild mit Theo Schneider, Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz.
Die Allianzgebetswoche, die weltweite Woche des Gebets evangelischer Christen gibt es seit 1861 in der zweiten Januarwoche. Wird in der Kirche nicht genug gebetet oder warum ist eine Extra-Gebetswoche notwendig?
Schneider: Es ist mit dem Gebet wie mit manchen anderen wichtigen Dingen im Leben: Besondere Geschenke müssen immer wieder entdeckt und verstärkt werden. Dazu dient die Gebetswoche. Außerdem spielt auch eine wichtige Rolle, dass sich in der Gebetswoche Christen aus unterschiedlichen Kirchen und Bewegungen treffen. Die Gebetswoche ist auch ein Signal für die Einheit der Christen.
Reicht die Woche für ein ganzes Jahr?
Schneider: Der Akzent am Anfang eines neuen Jahres ist wichtig und will ausstrahlen. Es gibt in unserem Land sicherlich in Hunderten von Orten auch vierteljährlich oder monatlich Gebetstreffen der Evangelischen Allianz.
Die Evangelische Allianz bietet einen Gebetskalender im Internet oder Gebetshefte an. Zudem gibt es das Gebet für verfolgte Christen oder das 30-Tage-Gebet für die islamische Welt. Das klingt nach einem abendfüllenden Programm. Richten sich diese Angebote ausschließlich an Ruheständler oder Menschen mit viel Tagesfreizeit?
Schneider: Nicht jeder und nicht jede Gemeinde muss und kann alles aufnehmen. Aber es ist uns ein Anliegen, dass wir auf ganz unterschiedlichen Wegen »die Welt ins Gebet nehmen«. Das ist ganz bestimmt nicht umsonst. Starke Beachtung findet auch immer wieder das »30-Tage-Gebet für die islamische Welt.« Ich halte das für einen wirklich christlichen Beitrag zu dem für uns alle so schwierigen Themenfeld.
Wie sieht Ihr Gebetsleben aus? Wie haben Sie Ihren Tagesablauf in Sachen Gebet eingeteilt?
Schneider: Das Gebet am Anfang und am Ende des Tages sind für mich ganz wichtige Fixpunkte. Dazwischen lebe ich ganz unterschiedliche Akzente, z.B. den Stoßseufzer, ein Lied, das Gebet mit anderen Christen im Gottesdienst, das Fürbittegebet am Krankenbett, das kurze Innehalten vor einem schwierigen Gespräch, das »Gott sei Dank« nach einer Bewahrung …
Wie wirkt Gebet?
Schneider: Das kann ich nicht erklären. Aber auf jeden Fall: Es wirkt. Gott, der Vater, hört auf seine Kinder. Das hat er versprochen. – Außerdem: Das Beten verändert auch mich. – Ich bin vor Jahren auf einen alten Sinnspruch gestoßen: »Der Vogel ist ein Vogel, wenn er singt; die Blume ist eine Blume, wenn sie blüht; der Mensch ist ein Mensch, wenn er betet.« Der Mensch, der betet, ist dort, wo er hingehört.
Wie betet man? Gibt es eine Anleitung?
Schneider: Im Lukas-Evangelium wird erzählt, dass die Jünger zu Jesus kamen und ihn baten, er solle sie das Beten lehren. Auf diese Bitte hat Jesus sofort reagiert und seine Jüngern das »Vaterunser« gelehrt. Das ist bis heute so: Mit dem Vaterunser kann man das Beten lernen. – Martin Luther wurde eine ähnliche Frage von Meister Peter, seinem Wittenberger Barbier und Friseur gestellt. Er hat ihm daraufhin eine kleine Schrift geschrieben, in der er das Vaterunser ausgelegt hat. Die gibt es noch heute. Sie ist noch immer aktuell.
Was ist der Unterschied zwischen Meditation und Gebet?
Schneider: Die Frage kann man nicht kurz beantworten, denn Meditation ist heute ein »Container-Begriff« mit vielen Facetten. Klar ist aber auf jeden Fall: Das Gebet hat es mit einem persönlichen Gegenüber zu tun.
Die Gebetswoche steht diesmal unter dem Thema »Als Pilger und Fremde unterwegs«. Was hat das mit Gebet zu tun? Worum soll es schwerpunktmäßig gehen?
Schneider: Mit diesem Motto wird ein grundlegendes Signal aus dem biblischen Zeugnis aufgenommen: Wir sind unterwegs. Gott hat uns gewollt und uns das Leben gegeben. Und wir gehen seinem Ziel entgegen. So spricht die Bibel davon, dass wir »Gäste und Pilger« sind. Auf unserem Weg sind wir herausgefordert, unser Leben als Christen zu gestalten – in Familie und Beruf, im Umgang mit der Schöpfung, im gesellschaftlichen Miteinander, in der Gemeinschaft der Christen. Diese Aufgabe hört nicht auf, sondern wir müssen sie immer wieder buchstabieren. Zugleich: Am Ziel sind wir erst in Gottes neuer Welt. – Übrigens, jedes Jahr kommt das Grundgerüst des Programms aus einem anderen Land. In diesem Jahr haben Verantwortliche der Evangelischen Allianz in Spanien die erste Vorlage erstellt.
In zwölf Thesen zum Jahreswechsel hat der Allianz-Vorsitzende Ekkehart Vetter auch das gemeinsame Gebet aufgenommen. Er möchte, dass aus der Gebetswoche eine ganzjährige Gebetsbewegung wird. Wie kann das gelingen, die Zahlen bei der
Allianzgebetswoche sind eher rückläufig?
Schneider: Richtig ist, dass die Zahlen bei der organisierten Gebetswoche Anfang Januar leicht zurückgehen. Richtig ist aber auch, dass es in den letzten Jahren zunehmend neue Initiativen in Sachen Gebet gibt, gerade unter jungen Menschen. Ich denke z.B. an die »Gebetshäuser« an manchen Orten, an »Gebetskonzerte« oder an die Impulse von Taizé.
Sie sind Prediger im Gemeinschaftsbezirk Wittenberg. Obwohl Lutherstadt sind Kirchenmitglieder eine Minderheit. Wie kann man Kirchenferne für das Gebet und die Gebetswoche interessieren?
Schneider: Es gibt kein Patentrezept. Auch eine Werbekampagne ist da fehl am Platz, denn Beten ist etwas Persönliches. Aber man kann dazu einladen, ermutigen, von diesem unglaublichen Geschenk erzählen. Wer mit dem lebendigen Gott im Gespräch ist, wird das nicht für sich behalten.
Welche Erfahrungen haben Sie im vergangenen Reformationsjahr in der Lutherstadt im Zusammenhang mit Gebet und Glauben gemacht?
Schneider: Das Jahr 2017 war für uns in Wittenberg ein großes und starkes Geschenk. Dazu gehörte in besonderer Weise eine Erfahrung mit dem Gebet: Während der Weltausstellung gab es jeden Morgen auf dem sogenannte Bunkerberg ein Morgen- und Mittagsgebet und abends auf dem Marktplatz das Abendgebet. In den ersten Tagen trafen sich nur wenige, aber es wurden immer mehr. Ich bin gewiß: Das war und ist nicht umsonst, dass Wittenberg so »ins Gebet genommen« wurde.
Theo Schneider, langjähriger Generalsekretär des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), hat in seinem Ruhestand die Predigerstelle im Gemeinschaftsbezirk Wittenberg übernommen. Er gehört dem Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) an und ist Vorsitzender des Aufsichtsrats des Evangelischen Allianzhauses in Bad Blankenburg.
Autor:Adrienne Uebbing |
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