Ruhe im Sturm
Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten.
Matthäus 14, Vers 23
Von Edward Drath
Eine seltsame Geschichte ist das. Vieles, was hier passiert, bleibt unerklärlich. Die Geschichte erzählt von einem Tag im Leben Jesu und seiner Jünger, einem Tag, an dem viel passiert: Zuerst erfährt Jesus, dass Johannes tot ist. Eigentlich würde er jetzt gern allein sein. Wer könnte ihm das verdenken angesichts dessen, was ihn mit dem Täufer verbindet? Doch er kommt nicht dazu, da die Menschen ihn mit ihren Bitten bedrängen. Jesus hat Erbarmen mit ihnen. Er hilft. Er heilt. Dann brauchen mehr als 5 000 etwas zu essen. Mit Jesu Hilfe machen die Menschen die Erfahrung: Es ist genug da. Für alle. Erst danach – es ist schon Abend – ist es Jesus möglich, allein zu sein, allein mit Gott. Und die Jünger? Die hat er schon mal mit dem Boot losgeschickt. Sie könnten seine Hilfe aber gleich wieder gebrauchen, denn sie geraten in Seenot. Als sie dann noch ein Gespenst auf dem Wasser wähnen, schreien sie. Aus Angst, Todesangst.
Manchmal hilft vielleicht nur noch Schreien – nach einem ähnlich »gefüllten« Tag. Wenn einem vor Fülle so wirr im Kopf ist, dass man die Menschen, die einem nahestehen, nicht mehr erkennt. Wenn man das Gefühl hat, den Überblick zu verlieren. Wenn man meint, unterzugehen gleich dem Petrus. In einem solchen Moment kann einen die Angst überkommen. Ja, vielleicht gar die Todesangst. Da kann einem das Wissen um das eigene Erlöschen beängstigend nahe kommen. Nur einer tritt hier anders auf: Jesus. Er ist die Ruhe in Person, einer, der angesichts der fünf Brote und der beiden Fische für über 5 000 Hungrige nicht in Panik verfällt. Er wandelt seelenruhig über die stürmische See. Er stimmt nicht in das Schreien der Jünger ein, sondern redet freundlich mit ihnen. Er lädt Petrus ein, es auszuprobieren und Vertrauen zu wagen mitten im Sturm. Er reicht ihm dann auch die Hand, als der Versuch misslingt, als Petrus unterzugehen droht und um Hilfe ruft.
Was hat Jesus anders gemacht als die Jünger? Die Geschichte hier weiß, dass er das Alleinsein suchte. Am liebsten ging er dafür auf einen Berg, dem Ort der besonderen Gottesnähe. Er suchte also den innigen Austausch mit Gott. Das hat ihm immer wieder den nötigen Überblick gegeben. So war er Herr der Lage und fand die Ruhe mitten im Sturm.
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