Wo finde ich Gott?
Im Konfirmationsalter beginnt oft die Suche nach dem Lebenssinn. Wo suchen
Jugendliche heutzutage? Im Internet. Ein Selbstversuch.
Von Willi Wild
Kennen Sie wikiHow? Unter dem Motto »Hier lernst du alles« findet man auf dieser Internetseite Anleitungen zu fast allen Themen des Lebens. Von der Frage »Wie ziehe ich nach Australien um?« oder »Wie berechne ich das Kubikmaß einer Kiste?« bis zu »Wie wende ich eine Haarspülung richtig an?«. Aber auch auf die existenzielle Frage, wo Gott zu finden ist, kennt wikiHow Antworten.
Wer diese Seite besucht, wird gleich mit »du« angeredet, was deutlich machen soll, dass sich das Angebot an junge Menschen richtet. »Wenn du ein Verlangen verspürst, einen Kontakt mit Gott herzustellen oder deine Verbindung zu Gott zu verbessern, gibt dir dieser Artikel einige Tipps, welche ersten Schritte du machen kannst, um herauszufinden, wer er wirklich ist.« Gleich in der ersten von zwölf Empfehlungen wird darauf hingewiesen, dass man nicht unbedingt eine Kirche braucht, um Gott zu finden. Versuchen könne man es aber trotzdem zunächst dort: »Wenn du Glück hast, findest du eine geistliche Kirche, die glaubt, dass sich Gott frei ohne Grenzen bewegt, und mit Menschen, die liebenswürdig und entgegenkommend sind. Wenn du so einen Platz findest, wäre es eine gute Idee in Erfahrung zu bringen, woran diese Menschen glauben.« Es geht dann weiter mit dem Vorschlag, einen Gottesdienst zu besuchen, religiöse Literatur zu lesen, den Verstand zu gebrauchen, offen zu sein und wachsam, vor allem gegenüber Menschen, die behaupten, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein. »Die meisten Kirchen haben nur einen Teil der Wahrheit«, heißt es weiter.
Fragen stellen, mit anderen sprechen und das Gespräch mit Gott suchen, die Anleitung klingt fast, als wäre sie aus dem Lehrbuch für den Konfirmandenunterricht. Allein schon, dass man der Frage nach Gott bei wikiHow einen ausführlichen Artikel widmet, zeigt, dass die Sinnsuche und Wertorientierung vor allem unter Jugendlichen wieder an Bedeutung gewinnt. Es wird aber auch deutlich, dass diese Frage scheinbar eher in der Anonymität des Internets gestellt wird.
Was heißt das nun für die Kirche und Kirchengemeinden? Auf der Frühjahrssynode wurde eingehend über die Thesen von Professor Michael Domsgen zur Gemeindesituation beraten (siehe auch Seite 5). Dabei scheint vor allem die Antwort auf die Frage, »wie Evangelium so kommuniziert werden kann, dass es Menschen erreicht«, zentral. Die Akzeptanz von Kirche in der Öffentlichkeit ist relativ hoch. Allerdings wissen immer weniger Menschen etwas mit christlichen Inhalten anzufangen.
Die Offenheit für religiöses Denken wird hauptsächlich in der Kindheit und Jugend geweckt. Religiöse Erziehung spielt einer Studie der EKD zurfolge, die bereits 2004 veröffentlicht wurde, selbst unter kirchenaffinen Familien immer weniger eine Rolle. Da sind neue Impulse für die Gemeindearbeit gefragt, so wie sie bei der Frühjahrstagung im Kloster Drübeck formuliert wurden. Unter dem Motto »Evangelisch – Ein Kreuz für die Welt« erarbeiteten die Synodalen Anregungen und Empfehlungen für die Kirchengemeinden. Eine Gemeindesynode scheint dafür aber längst nicht ausreichend. In den Beratungen war deshalb die Rede von einem Aufbruchsignal und dem Anfang eines weitergehenden Prozesses. Für eine Bilanz der Gruppengespräche ist es noch zu früh. Die Beratungen nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass ein Fazit und eine Zusammenfassung keinen Platz mehr fanden. Das Gemeindedezernat der EKM hat deshalb angekündigt, die Ergebnisse der sieben Arbeitsgruppen in den kommenden Wochen auswerten und aufbereiten zu wollen. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt darüber in der Kirchenzeitung berichten.
Der Internetkurs für Gottsucher bei wikiHow endet mit den Hinweisen, dass Gott einem näher sein kann als vermutet und dass man bereit sein sollte, das Bild, das man über das Wesen Gottes habe, zu verwerfen: »Deinen begrenzten Verstand zu verwenden, um Unendlichkeit zu begreifen, ist wie einen Fisch darum zu bitten, die Ozeane der Welt herunterzuschlucken.« Nichts anderes verstehen Christen darunter, wenn sie sich unter die Führung und den Segen Gottes stellen, der höher ist als Erfahrung, Verstand und Sinne.
Autor:Online-Redaktion |
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