Lucas, der Buchdrucker
Konfirmanden lernen Kunst und Handwerk Gutenbergs kennen
Von Klaus-Dieter Simmen
Lange ist es her, dass Lucas Gelegenheit zum Drucken hatte. Das war in der Grundschule. Heute ist er Konfirmand und darf erneut an einer Druckerpresse stehen. An einer richtigen, an einer, die dem Original der Druckerpresse von Gutenberg exakt nachempfunden wurde. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Lucas kommt aus Eschbach im Taunus und er gehört zu einer Gruppe von Mädchen und Jungen, die gemeinsam mit Jugendlichen aus Wandersleben (Kirchenkreis Gotha) eine Konfirmandenfreizeit in Thüringen verbringen. Das hat übrigens Tradition. Seit 1945 schon verbindet beide Kirchengemeinden eine Partnerschaft.
»Während der DDR-Zeit beschränkte sie sich darauf, die Freunde jenseits der Grenze zu unterstützen«, sagt Pfarrerin Kerstin Steinmetz aus Eschbach. Mit der Wiedervereinigung wandelte es sich zu einer lebendigen Beziehung, die von gemeinsamen Besuchen geprägt ist. Seit 1997 schon gibt es die Freizeit für Konfirmanden.
An diesem Tag besuchen sie einen ganz besonderen Ort, nämlich die Menantes Literatur-Gedenkstätte in Wandersleben. Sie erinnert nicht nur an den Dichter Christian Friedrich Hunold, genannt Menantes, der in der Gemeinde geboren wurde. Die Gedenkstätte ist dazu ein außerschulischer Bildungsort, einer, der vornehmlich jungen Menschen die Handwerke der Buchherstellung und die Reformation nahe bringt. Und die Geschichte des Buches, so der Wandersleber Pfarrer Bernd Kramer, ist ein spannendes Abenteuer.
Im Jurywettbewerb mit Publikumsbeteiligung fördert das Magazin Chrismon auch in diesem Jahr herausragende Gemeindeprojekte. Mit seinem Konzept außerschulischer Lernort bewirbt sich das Pfarramt Apfelstädt, zu dem die Kirchgemeinde Wandersleben gehört, um eine Förderung. »Wir denken, dass unser Angebot das wert ist«, begründet Kramer diesen Schritt. Die Zahl der Schulklassen, die sich in der Gedenkstätte mit der Geschichte der Buchherstellung vertraut machen, steigt von Jahr zu Jahr.
Das mag auch daran liegen, dass hier alles andere als staubtrockene Theorie vermittelt wird. Natürlich gibt es einen Exkurs in die Geschichte – angefangen bei Federkiel und Tinte bis hin zum Buchhändler. Mitmachstationen lassen darüber hinaus die einzelnen Handwerke im besten Wortsinn erfahrbar werden. Wie beispielsweise beim Drucken. Hans-Otto Mempel aus der Werkstatt für künstlerische Druckgrafik in Vieselbach hat den Jungen die Arbeitsschritte erläutert. Nun nimmt er sich zurück, lässt sie alleine hantieren, was den Konfirmanden sichtlich Freude macht. Als Druckstock dient ein Linolschnitt von der Wanderslebener Kirche. Sorgfältig wird er mit der Farbwalze eingestrichen, dann kommt Blatt für Blatt in die Presse, ganz so, wie vor 300 Jahren die Buchseiten gedruckt wurden. »Haben die das damals wirklich so gemacht?«, will Lucas wissen. Und die jungen Leute beginnen zu ahnen, wieviel Arbeit in einem Buch steckt, ehe es vom Buchhändler vertrieben werden konnte.
Die Arbeit an der Gutenberg-Presse dient durchaus einem Zweck, denn die Bilder der Wanderslebener Kirche werden bald schon Bestandteil eines Leporellos sein, das eine zweite Gruppe anfertigt – aus Altpapier übrigens. Es wird geschnitten und gefalzt. Mitglieder des Menantes-Förderkreises haben ein Auge darauf, dass die einzelnen Arbeitsschritte eingehalten werden. Jedes einzelne dieser Werke wird übrigens mit Initialen verziert und daran arbeiten Anastasia und Marie. Sie sind schon erstaunt, wie viele Schreibwerkzeuge es gibt und entdecken so nebenbei, wie schön eine Handschrift sein kann. »Ein Buch ist das Werk vieler«, merkt Pfarrer Kramer an. Das im Zeitalter digitaler Technik hautnah zu erfahren und selbst daran mitzuwirken, sei Ziel dieses ungewöhnlichen außerschulischen Lernorts.
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