»Wir werden nicht zusammen alt werden«
Sich das Scheitern einer Ehe einzugestehen, kann schwerfallen. Ein Beitrag über das Ende einer Ehe nach 22 Jahren.
Von Christine Koenig
Zwei Jahre nach der Trennung, kurz nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich rechtliche Schritte einleiten will, ist mein Mann zu uns zurückgekommen. Ich habe mich so gefreut! Seine Rückkehr war eine große Überraschung.
»Ich frage mich, warum du zurückgekommen bist …«, sage ich zu meinem Mann während unseres Winterurlaubs. Vom ersten Tag seiner Rückkehr an fühle ich mich erniedrigt und unter Druck gesetzt. Er antwortet mir: »Dieselbe Frage stelle ich mir auch. Jetzt denke ich, dass es ein Fehler war, zurückzukommen. Ich habe nachgedacht … ich habe den Eindruck, dass du immer noch dieselbe bist. Diesmal werden wir uns für immer trennen.«
Die Verleugnung der Realität zum Schutz
Seine Antwort trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Mein Kopf dröhnt. Verzweifelt flüchte ich mich ins Schlafzimmer. Mir wird bewusst, dass wir jetzt an einem Punkt angelangt sind, an dem es kein Zurück mehr gibt. Wir werden nicht zusammen alt werden. – Waren all meine Bemühungen umsonst? Wie werde ich das unseren Freunden beibringen? Was habe ich falsch gemacht? Gibt es noch eine Zukunft für mich? Ich fühle mich abgewiesen – weggeworfen, um genau zu sein. Es ist aus und vorbei; ich muss mich damit abfinden.
Um den Schock abzumildern, versuche ich, die Dinge rational zu betrachten und sie zu relativieren. Vielleicht gefiel ihm unser Urlaubsort nicht? Oder die Umgebung, die Infrastruktur oder das Wetter? An mir lag es nicht. Oder vielleicht doch, wobei wir dennoch eine neue Chance haben werden. Möglicherweise kann ich unsere Partnerschaft noch retten. Ich setze alles daran, um meinen Mann davon zu überzeugen, dass wir es trotz allem schaffen könnten. Doch er bleibt bei seiner Meinung. Schließlich muss ich den Tatsachen ins Auge sehen, so brutal es auch sein mag: Mein Mann möchte mich endgültig loswerden – je schneller, desto besser!
Werden wir mit der harten Realität konfrontiert, reagieren wir meistens instinktiv darauf. Das klingt in etwa so: »Ich kann es nicht glauben. Dass meine Frau mich verlässt, um sich selbst zu verwirklichen? Bestimmt ist das nur eine kurzzeitige Laune. Bald wird sie zurückkehren, um sich wieder ihren Aufgaben als Mutter zu widmen.«
Manche Geschiedene weigern sich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Das Nichtakzeptieren der Trennung kann unsere Gesundheit beeinträchtigen und uns jeglicher Lebensfreude berauben.
Verleugnung ist ein Schutzmechanismus, der bei einem Schock, einem schmerzhaften Erlebnis automatisch aktiviert wird. In solch einem Moment sind wir nicht imstande, die Realität auszuhalten. Doch das ist nur eine vorübergehende Phase. »Dieser Zustand kann mehrere Tage andauern. Hält er jedoch mehrere Wochen an, ist das krankhaft. Solange ein Mensch in diesem Zustand verharrt, kann der innere Heilungsprozess nicht beginnen«, schreibt der französische Familientherapeut Jacques Poujol.
Nach unserer Rückkehr aus dem Winterurlaub steht fest, dass wir uns scheiden lassen werden. Es ist Sonntagnachmittag – eine dieser schwer erträglichen Zeitspannen. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Mein Mann macht einen Spaziergang, während ich ein Buch lese und auf den Besuch eines befreundeten Ehepaares warte.
Loslassen ist der Wendepunkt
Um sechzehn Uhr sind sie da. Mein Mann bedient sie; er serviert Kaffee und Kekse. Dabei verliert er kein einziges Wort über unsere Situation. Unsere Gäste ahnen nicht im Geringsten, dass sie uns sicherlich zum letzten Mal zusammen sehen. Die Unterhaltung bleibt oberflächlich. Ich versuche, ein wenig präsent zu sein. Mein Mann wird gewiss die Verantwortung übernehmen und unsere endgültige Trennung ansprechen. Oder unsere Freunde werden uns zu diesem Thema hinführen, indem sie sich erkundigen, wie es uns gehe oder was uns momentan beschäftige. Doch nichts dergleichen passiert. Ich fühle mich wie im falschen Film. Meine seelische Verfassung lässt meinen Mann völlig unbeeindruckt. Seine ganze Aufmerksamkeit – so scheint es – ist allein der Gemeinschaft mit unseren Freunden gewidmet. Ich bin unfähig, zu agieren. Im Nachhinein ärgere ich mich darüber, das Spiel mitgespielt zu haben, und wenn es nur durch mein Schweigen war.
Es ist wichtig, das Ausmaß des Schmerzes ernst zu nehmen. Wir müssen den Verlust unseres Partners akzeptieren. Dies stellt einen der schwierigsten Momente im Scheidungsprozess dar. Es fühlt sich an, als werde uns der Boden unter den Füßen weggezogen; oder, wie es mir erging, als würde ich bei meiner eigenen Amputation zusehen.
Um eine Partnerschaft einzugehen, sind zwei Willensäußerungen notwendig, doch um die Partnerschaft zu beenden, genügt der Wunsch eines Partners. Diese Tatsache müssen wir akzeptieren. Diese Entscheidung zu akzeptieren und aufzuhören, sich innerlich dagegen aufzulehnen, ist zweifelsohne ein schmerzhafter, doch notwendiger Moment. Er markiert einen Wendepunkt, an dem der Heilungsprozess beginnt.
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