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Ärger am Tisch des Herrn
Kann es sein, dass heute nicht mehr allgemein bekannt ist, warum der oft wunderbar gestaltete Tisch im Zentrum einer Kirche steht? Der Eindruck drängt sich auf, wenn man die Einwände der Denkmalbehörde Sachsen-Anhalts ernst nimmt.
Von Willi Wild
500 Jahre nach der Zerstörung des Mittelteils ist der Marienaltar im Westchor des Naumburger Doms nun wieder vollständig auf dem angestammten Sockel. Doch in den Augen der Denkmalpflege wird der Altar mit den Seitenflügeln von Lucas Cranach d. Ä. und dem neu geschaffenen Mittelteil von Michael Triegel als störend empfunden. Durch die Tafeln würden Blickachsen im Chor verstellt, ist man sich mit der Beratungsgesellschaft der Unesco, Icomos International, einig.
Es scheint keine Rolle zu spielen, dass der Altar vor seiner Zerstörung während der Reformation genau hier stand und bereits da den Rundumblick auf die in Stein gehauenen Patrone "störte". Schon dass der Künstler auf der Altarrückseite die Perspektive des Westchores gewählt hat, schließt einen anderen Standort quasi aus.
Dass die vermeintliche "Welterbeverträglichkeit" für die Denkmalschützer wichtiger zu sein scheint als die gottesdienstliche Nutzung des Doms, verwundert nicht nur, es macht fassungslos. Bleibt zu hoffen, dass der öffentliche Druck und eine klare Intervention der beiden Kirchen – immerhin hat das Projekt "Triegel trifft Cranach" eine ökumenische Dimension – die Denkmalpflege zum Umdenken bewegt.
Das Votum der Unesco kann dauern. Ob es überhaupt kommt, ist fraglich. Aber bis dahin sollte der Altar dort stehen, wo er hingehört. Eine Aberkennung des Welterbetitels, wie einst in Dresden wegen der Waldschlösschenbrücke, steht nicht zu befürchten.
Autor:Online-Redaktion |
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