Weihnachten
Wie Ochs und Esel in die Krippe einzogen
Zu Weihnachten dürfen sie in keiner Krippe fehlen: Ochs und Esel neben dem Jesuskind. Ein Blick in die Weihnachtsgeschichte nach Lukas zeigt, dass sie dort gar nicht vorkommen.
Von Marieke Lohse
Friedlich ruhen Ochs und Esel im Stall von Bethlehem neben der Krippe. Auch bei privaten Krippen, die in der Weihnachtszeit in vielen Haushalten stehen, sind sie Teil der Figuren-Szenerie. Doch in der bekannten Weihnachtsgeschichte nach Lukas kommen sie gar nicht vor. Nicht einmal von einem Stall ist die Rede, geschweige denn von Tieren, die sich um das Jesuskind versammeln. Der Evangelist spricht lediglich von einer Krippe in einer Herberge. Als Besucher kommen die Hirten vom Feld, die sich nach der Ansage eines Engels auf den Weg nach Bethlehem machen. Wer Ochs und Esel finden will, muss im Alten Testament blättern.
Der Prophet Jesaja kündigte bereits 700 Jahre vor der Geburt Jesu dem Volk Israel einen Herrscher an, der Frieden bringen soll. In der Zeit des Propheten herrschten Unruhen im Land, die Menschen konnten sich nicht auf ihre Könige verlassen. Jesaja war damals so etwas wie ein Orakel. Seine Aufgabe war es, den Menschen Mut zu zureden. Er verkündete einen König, der Frieden bringen und ewig herrschen soll. Er sprach dabei von der Geburt eines Sohnes, der Großes vorhat: Nicht mit militärischer Macht, sondern mit Weisheit und geistlicher Stärke soll er Frieden für das Volk Israel bringen.
Auch Ochs und Esel spielten für Jesaja eine Rolle. Sie sind es, die den neuen Herrn erkennen, sagt der Prophet: «Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn.» Vermutlich hat Jesaja damit Gott gemeint, den das Volk Israel noch nicht erkennt. Seine Botschaft lautet: Der Messias muss noch kommen. Nach christlicher Auffassung ist das dann durch die Geburt Jesu geschehen. Dass Ochs und Esel aber schon bei der Geburt dabei sind, hat auch Jesaja nicht vorhergesagt.
Auch der Prophet Sacharja kündigte etwa 500 Jahre vor Christi Geburt einen neuen König an. Bei ihm spielt der Esel dabei eine wesentliche Rolle. Denn die Menschen werden diesen König erkennen, wenn er auf einem Esel in Jerusalem einreitet. Genau so tat es Jesus an Palmsonntag kurz vor seinem Tod. Daher dachten sich frühe Christen: Wenn der Esel da eine wichtige Rolle spielt, dann muss er das bei der Geburt auch.
Im zweiten und dritten Jahrhundert haben die frühen Christen einen Zusammenhang zwischen den prophetischen Weissagungen und der Geburt Jesu hergestellt. Außerhalb der Bibel, wie wir sie heute kennen, sind in dieser Zeit Schriften entstanden, die die Rede von Ochs und Esel aufgreifen und auf die Geburt Jesu beziehen. In einem Evangelium, das nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde, heißt es nach der Geburt Jesu, dass Ochs und Esel das Kind in der Krippe verehren.
Diese Schriften sind zwar außerhalb der theologischen Kreise wenig bekannt, das Bild von Ochs und Esel an der Krippe hat sich allerdings in frühchristlicher Zeit durchgesetzt. Schon damals dachten sich bibelfeste Maler, dass Ochs und Esel gut in einen Stall passen. Das zeigt beispielsweise das Gemälde «Die Geburt Christi» von Hans Baldung (1520). Und auf einem Sarkophag aus dem Jahre 385 sind Ochs und Esel neben dem Kind in der Krippe kniend abgebildet.
Die weihnachtliche Botschaft, dass Gott in einem Kind auf die Welt kommt, haben Ochs und Esel damit als Erste begriffen. Den Propheten und frühen Christen zufolge sind gerade sie es, die Gott als das Kind in der Krippe erkennen. Und wenn die beiden Tiere es schon erkennen, so die Botschaft, dann müssten es die Menschen doch auch tun. Damit gehört das Bild von Ochs und Esel an der Krippe zu Weihnachten wie «Oh du fröhliche» und «Stille Nacht».
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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