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ÖRK
So treffen die Delegierten ihre Beschlüsse

Ein Meer oranger Karten leuchtet über den Köpfen der Delegierten im Plenarsaal, dazwischen blaue Farbtupfer. Was die Delegierten bei den Geschäftssitzungen des ÖRK hochhalten, sind keine Stimmkarten, sondern die sogenannten Tendenzkarten. Orange bedeutet: "Ich werde warm mit dem Vorschlag." Wer die blaue Karte hebt, sagt: "Ich stehe dem Beschlussvorschlag noch kalt gegenüber. Ich möchte einen wichtigen Einwand vorbringen." Stimmungstests an Stelle von finalen Ja-Nein-Abstimmungen sind Teil des sogenannten Konsensverfahrens. Für viele ist es schwer vorstellbar, ökumenische Zusammenarbeit anders zu denken. Anderen erscheint das Verfahren fremd, langwierig und ein bisschen langweilig, wenn man eine protestantisch-streitlustige Debattenkultur gewohnt ist.

Bei der Gründung 1948 war es naheliegend, dass der ÖRK Verfahren der Entscheidungsfindung übernahm, die in Europa und Nordamerika in Parlamenten und kirchlichen Gremien üblich waren. Schließlich kam die Mehrheit der Mitgliedskirchen von dort. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Mitgliedschaft des Rates vielfältiger, orthodoxe Kirchen und viele Kirchen aus Afrika und Asien kamen neu hinzu. Teilweise waren ihnen diese Verfahren fremd. Außerdem hatten die orthodoxen Kirchen Schwierigkeiten damit, dass sie durch den Beitritt von einer Vielzahl unterschiedlichster protestantischer Kirchen in Leitungsgremien einfach überstimmt werden konnten. So wurde schließlich bei der Vollversammlung 1998 die "Sonderkommission zur Orthodoxen Mitarbeit im ÖRK" eingesetzt. Die Kommission ging unter anderem der Frage nach, wie zahlenmäßige Minderheiten zu Wort kommen und ihre Stimmen berücksichtigt werden können.

Konziliarität und Integration

Vor diesem Hintergrund setzt das Konsensverfahren auf Konziliarität, Integration der vielfältigen Stimmen und Entscheidungsfindung ohne förmliche Abstimmung. Das Konsensverfahren ist kein Einstimmigkeitsprinzip und bedeutet kein Vetorecht für einzelne Kirchen oder Konfessionsfamilien. Ziel ist es, einen gemeinsamen Weg zu gehen, auf dem breite Beteiligung möglich ist. Alle Beschlussvorschläge und Dokumente werden zunächst in Anhörungssitzungen vorgestellt. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Moderatoren zu, die dafür sorgen müssen, dass alle relevanten Meinungen vorgebracht werden können und niemand die Aussprache dominiert.

In der beschlussfassenden Sitzung muss am Ende keine Einstimmigkeit erzielt werden. Wenn sich ein Konsens abzeichnet, werden diejenigen, die noch die blaue Karte heben, angehört. Immer wieder gibt es auf dem Weg Pausen. Es kommt vor, dass eine Aussprache unterbrochen wird durch eine Murmelphase an den Tischen oder ein Gebet. Es geht gleichsam um "Raum für das Wirken des Geistes" und um Rückbesinnung auf das gemeinsame Ziel von Einheit und Gemeinschaft. Schließlich können die Moderatoren auch eine kleine Gruppe von Delegierten, die unterschiedliche Meinungen repräsentieren, aus dem Raum schicken und beauftragen, einen gemeinsamen Vorschlag auszuarbeiten.

Chancen und Herausforderungen

Das Gelingen eines solchen Verfahrens steht und fällt mit denjenigen, die es umzusetzen. Moderatoren und Delegierte müssen sich auf das Verfahren einlassen. Konsensentscheidungen sind wichtig, um den Beschlüssen in den ÖRK-Mitgliedskirchen Gehör zu verschaffen. Die Entscheidungen haben für sie allerdings keine bindende Wirkung. Eine Chance, dass sie dort aufgenommen werden, besteht nur, wenn die Delegierten den Beschluss mit Überzeugung in ihren Kirchen vermitteln.

Aber: Dieses Verfahren braucht Zeit und Geduld. Die bringen wir in unseren eng getakteten Kalendern und mit den gekürzten Tagungszeiten nicht immer mit. Verschärft wurde dies in den letzten zwei Jahren dadurch, dass Zentralausschusssitzungen online abgehalten werden mussten. Am Bildschirm funktioniert die Stimmungsabfrage kaum, die Zeitverschiebung und die ungleiche Qualität des Internetanschlusses erschweren gleichberechtigte Partizipation. Das Verfahren kann leichter blockiert oder gar missbraucht werden.

Eine zweite Schwierigkeit besteht in der Kommunikation nach außen: Ein Konsens, der auf einem partizipativen und auch geistlichen Weg gefunden wurde, wird nicht automatisch von denen verstanden, die diesen Weg nicht mitgegangen sind. Das gilt in besonderem Maße für sensible und polarisierende Themen.
Vermutlich werden prophetische Entscheidungen bei einem Konsensverfahren die Ausnahme bleiben, aber wenn sie zustande kommen, werden sie mehr Wirkung haben als ein in einer Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit verabschiedeter Beschluss, den die Unterlegenen nicht mittragen.

Anne Heitmann, Leiterin der
Abteilung für Mission und Ökumene der
Evangelischen Landeskirche in Baden

Aus: Evangelische Mission Weltweit Konsens im Weltkirchenrat

Weitere Beiträge:

Was macht eigentlich eine ÖRK-Delegierte?
Berichten, was war
In der Welt der Weltkirche
Autor:

Online-Redaktion

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