Blickwechsel
Beten für Belarus

Die Kerzen in der Berliner Gethsemanekirche sind Gebete in Wachs. | Foto: Iris Hertel
  • Die Kerzen in der Berliner Gethsemanekirche sind Gebete in Wachs.
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Der Beginn ist immer gleich: Kaum sind die mächtigen Glocken der evangelischen Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg nach 18 Uhr verstummt, steht ein Mitglied der Andachtsgruppe auf und entzündet die „Wachet und Betet“-Kerze auf dem Altar. Dann beginnt das gut halbstündige politische Abendgebet.

Von Thomas Klatt

Jeden Tag. Seit Juli 2017. Damals geriet Gemeindemitglied Peter Steudtner in türkische Haft, als er an einem Menschenrechtsseminar bei Istanbul teilnahm. Peter Steudtner ist längst wieder frei. Die „Wachet und Betet“-Andachten mit ihren täglich rund zehn Teilnehmern gehen aber bis heute weiter. „Wir gehen auf das achte Jahr zu. Wir wissen von politisch Inhaftierten, dass es ihnen Mut macht, diese Zeit zu überstehen, wenn sie wissen, dass sie nicht vergessen sind“, sagt Iris Hertel, die von Anfang an bei der Andachtsgruppe dabei war.

So beten sie hier zum Beispiel bis heute für den türkischen Kunstmäzen und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala, der trotz internationaler Proteste seit 2017 im Gefängnis sitzt. „Für mich ist es immer der aktive Teil Hoffnung, dass es keinen Grund gibt, hoffnungslos in die Zukunft zu gucken“, begründet Gemeindemitglied Martin Gagel sein Engagement in der Andachtsgruppe.

Denn es gab durchaus Momente der Hoffnung, nicht nur nach der Entlassung von Peter Steudtner. Zum Beispiel wurde die in Köln lebende kurdische Filmemacherin und Sängerin Hozan Canê 2018 in der Türkei verhaftet. Im Juli 2021 kam sie frei. Das wurde mit einem großen Fest auch in der Gethse-manekirche gefeiert.
Als vor fünf Jahren der weißrussische Diktator Lukaschenko die freien Wahlen im Land unterdrückte und die Opposition verhaften ließ, begann die Andachtsgruppe, auch für Belarus zu beten. Ina Rumiantseva, geborene Berlinerin und mit einem Belarussen verheiratet, trägt jeden Donnerstag die neuesten Informationen vor. Trotz einiger Entlassungen in jüngster Zeit sei die Repression nach wie vor groß. Viele seien nach Polen und Lettland geflüchtet, nach Deutschland etwa 6000. Andere Oppositionelle aber konnten oder wollten nicht fliehen, etwa der Präsidentschaftskandidat Viktor Babariko, Maryja Kalesnikawa oder Ihar Losik. Gerade auch für sie wird namentlich gebetet.

„Es ist das stabilste, das dauerhafteste Format, das wir haben, für Belarus Woche für Woche jeden Donnerstag zu beten. Im letzten Jahr kamen überraschend zwei ehemalige politische Gefangene, für die wir hier lange gebetet hatten. Sie haben uns gedankt, die haben die Gefangenen nicht vergessen“, führt Ina Rumiantseva weiter aus.

Für ihr zivilgesellschaftliches Engagement etwa in der Interessenvertretung der Belarussen in Deutschland RAZAM e.V. oder im Rahmen des neu gegründeten Vereins „Taskforce Belarus“ hat Ina Rumiantseva vor wenigen Wochen den mit 7500 Euro dotierten Werner-Schulz-Preis erhalten. Den hat sie den belarussischen Frauen gewidmet. „Für die Frauen ist es nochmal schlimmer. Viele sind getrennt von ihren Kindern, müssen harte Arbeit verrichten. Gleichzeitig gibt es keine medizinische Versorgung. Es wird keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Frauen genommen", sagt die Preisträgerin.

Vor allem gebe es auch ihr Kraft, sich von der Andachtsgruppe getragen und unterstützt zu wissen, sagt sie. Hansjürg Schößler ist auch von Anfang an mit dabei. Er saß selbst in der DDR in politischer Haft. Auch deshalb ist er Teil der „Wachet und Betet“-Andachtsgruppe in der Berliner Gethsemanekirche. Für ihn und die anderen ist klar, dass sie weiter beten werden, solange es in Belarus zu Unrecht Inhaftierte gibt.

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