Das Leuchten in der Golmsdorfer Kirche
Hoffnungsbotschaften aus Glas
Glas ist ein spannender Werkstoff. In Jena weiß man das seit 1884, als der Glaschemiker Otto Schott gemeinsam mit dem Physiker Ernst Abbe und dem Optiker Carl Zeiss ein Glaslabor gründete.
Von Beatrix Heinrichs
Aus dem kleinen Start-up ist inzwischen ein Global Player geworden, der nicht nur hitzebeständige Auflaufformen herstellt, sondern auch Displayglas für Handys oder Fläschchen für Milliarden von Impfdosen.
Kirchen- oder Künstlerfenster seien ihres Wissens nach in den Schott-Werkstätten aber nicht gefertigt worden, sagt Claudia Persch. Die Vorsitzende des Golmsdorfer Kirchbauvereins hat ein Faible für Glasmalerei. Besonders angetan ist sie von den Werken Fritz Körners.
Das erste Mal, erinnert sich Persch, kam sie mit seiner Glaskunst in den 90er-Jahren in Berührung. Die Architektin war damals mit der Sanierung des Jenaer Rathauses betraut, wo Körner nach dem Krieg einen Fensterzyklus für Plenarsaal, Gaststätte "Ratszeise" und Rathausdiele fertigte. Nach einer Ausstellung zu Leben und Werk Körners 2009 im Jenaer Stadtmuseum sei ihr Interesse geweckt worden, sie wollte mehr erfahren über den Ausnahmekünstler. „Wir haben Kontakt zu Körners Sohn Friedrich gesucht und ihn nach Golmsdorf eingeladen.“
Eines der Kirchenfenster nämlich, die der 1888 geborene Künstler im vergangenen Jahrhundert schuf, ziert die Dorfkirche St. Barbara in dem kleinen 600-Seelen Ort vor den Toren der Saalestadt. „Der gute Hirte“ entstand 1935 und zeigt Christus in einem roten Gewand vor strahlend blauem Himmel. Die Farben sind bestechend, und der Lichteinfall beeindrucke sie jedes Mail aufs Neue, erklärt Claudia Persch begeistert. „Ich habe nur einen Schlüssel für den Hintereingang der Kirche“, erzählt sie. „Das erste, was man da beim Eintreten sieht, ist das Fenster. Und es leuchtet – immer. Selbst an grauen Wintertagen.“
Aber nicht nur in Golmsdorf hat der Glasmaler seine Botschaften aus buntem Licht hinterlassen: Körners Glasfenster schmücken zahlreiche kleinere Dorfkirchen im Jenaer Umland und in Ostthüringen, so in Dorndorf, Altenburg-Rasephas, Unterwirrbach oder Rothenstein. Auch für die Friedhofskapelle in Bad Köstritz und das Jenaer Lutherhaus realisierte er Aufträge. 1932 hatte Körner mit seiner Frau Grete ein eigenes Atelier im Jenaer Volkshaus eröffnet. Viele der Glasfenster waren in dieser Zeit entstanden.
"Und es leuchtet – immer. Selbst an grauen Wintertagen“
Am wohl bekanntesten aber sind die Glasarbeiten, die Körner nach Kriegsende schuf: 1947 entstanden die drei Chorfenster der Jenaer Friedenskirche und 1955 die der Stadtkirche St. Michael. Besonders die Glasfenster der Friedenskirche zeigen: Körners Werk lässt sich nicht denken, ohne seine persönlichen Erfahrungen von Ausgrenzung und Leid einzubeziehen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und das damit verbundene Berufsverbot für ihn und seine jüdische Frau bedeuteten eine Zäsur für Körners künstlerische Entwicklung. 1945 wurde seine Frau Grete nach Theresienstadt deportiert, er selbst zu schwerer körperlicher Arbeit im Jenaer Heizwerk zwangsverpflichtet. Ihren 1942 geborenen Sohn Friedrich hatten die Körners versucht, dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen. Er wuchs bei Pflegeeltern in Greiz auf. Unversehrt, aber schwer erkrankt kehrten Grete Körner Ende Mai 1945 und auch der Sohn nach Jena zurück. Und Körner entschied sich mit der Wiedereröffnung seines Ateliers für Glaskunst für einen Neuanfang in der Saalestadt.
Die Chorfenster der Friedenskirche zeigten beispielhaft diese Stimmung der Erlösung, der Hoffnung auf einen Neuanfang nach großem Leid, meint Claudia Persch. Körner verarbeitet darin biblische Szene der Offenbarung. Die Engel mit ihren Posaunen stürzen kopfüber auf die Stadt – ein gewaltiger Wirbel aus kräftigen Tönen. „Ich glaube, die Menschen hatten in dieser Zeit – im wahrsten Sinne des Wortes – eine große Sehnsucht nach Farbe in ihrem Leben“, sagt Persch. Allein schon die Tatsache, dass man sich so kurz nach Kriegsende den Luxus neuer, aufwendig gestalteter Fenster für die Kirche habe leisten wollen, wo doch andere Dinge dringlicher gewesen sein müssten, zeige das.
„Was mich dabei am meisten fasziniert, ist, wie vielseitig Körner war." Mit der Gestaltung habe er es stets geschafft, seine Fenster in die bestehende Architektur der jeweiligen Kirche harmonisch einzupassen, sagt Claudia Persch und blättert durch das Buch, das sie für eine Ausstellung über Kör-ners Schaffen in Thüringen zusammengestellt hat.
Für die Schau hatte sie fast ein Jahr recherchiert und gemeinsam mit Friedrich Körner den Nachlass des 1955 verstorbenen Glaskünstlers gesichtet und unter anderem Originaltexte, Zeichnungen, Briefe sowie Fotoaufnahmen erfasst. „Dass diese Zeitdokumente nicht in Vergessenheit geraten, sondern im Landeskirchenarchiv der EKM in Eisenach nun liebevoll aufbewahrt sind, ist ein Segen“, sagt Claudia Persch.
Autor:Beatrix Heinrichs |
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