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Triegel, die Madonna und die Liebe
"Ich weiß nicht, was Cranach gesagt hätte"

Foto: epd-bild / Rico Thumser

Die Madonna hat blaue Augen und sieht aus wie seine Tochter: Wenn Michael Triegel - bekannter Maler der Leipziger Schule - das neue Altarbild im Naumburger Dom anschaut, wird er unwillkürlich an Zuhause erinnert. Ganz bewusst habe er seine Tochter in der Maria porträtiert. "Wenn ich den Inbegriff der Liebe malen muss, liegt es doch nahe, das zu malen, was ich am meisten liebe", sagt der 53-jährige.

Von Nina Schmedding

Triegels Darstellung der Madonna mit Kind inmitten von Heiligen - eine sogenannte Sacra conversazione - ergänzt nach mehr als 500 Jahren den ursprünglich dreiflügeligen Altaraufsatz von Lucas Cranach dem Älteren von 1519. Er wird am Sonntag mit einer ökumenischen Vesper von dem evangelischen Landesbischof Kramer und dem katholischen Bischof Feige eingeweiht.

Ihm sei es mit dem Bild darum gegangen, "eine Brücke über den Abgrund der Zeit zu schlagen", sagt der in Erfurt geborene Triegel am Samstagnachmittag bei der Vorstellung des Gemäldes in Naumburg. Er fühle sich dem Dom "seit der Kindheit verbunden".

Der Mittelteil von Cranach war 1541 im Zuge einer bilderfeindlichen Aktion zerstört worden. Die Seitenflügel mit der porträthaften Darstellung der beiden Stifterbischöfe und verschiedener Heiliger überdauerten die Jahrhunderte und waren bisher im Domschatzgewölbe des Naumburger Doms ausgestellt.

Der von Triegel seit 2020 neu gestaltete, großformatige Mittelteil zeigt Maria und Jesuskind umgeben von kirchlichen Heiligen wie etwa Peter und Paul oder Elisabeth von Thüringen, die aber als zeitgenössische Menschen dargestellt sind. Zudem ist der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer zu sehen, der von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, sowie Menschen ohne konkretes historisches Vorbild. Auf der Rückseite der Mitteltafel ist der auferstandene Jesus zu sehen.

Er habe ein Bild malen wollen, "das von Gemeinschaft kündet und das Verbindende im Blick hat", sagt Triegel. Bewusst habe er deshalb Männer und Frauen, Kinder und Alte porträtiert und auch Menschen verschiedener Hautfarben und Religionen. Paul sei etwa einem Rabbi nachempfunden, den er an der Klagemauer in Jerusalem gesehen habe. Der Apostel Petrus, den er mit roter Schirmkappe und Schlüssel malt, einem Obdachlosen, den er am Eingang einer Kirche in Rom getroffen habe. Für das Jesuskind sei ein zwei Wochen alter Säugling aus seinem Bekanntenkreis Vorbild gewesen "in all seiner Verletzlichkeit".

Der Betrachter solle das Gefühl haben, dass "das reale Menschen sind", so der Maler. Er versuche, das "Unglaubhafte durch Präsenz glaubhaft" zu machen, erklärt Triegel, der 2014 in die katholische Kirche eintrat und mit seinem Porträt von Papst Benedikt XVI. international bekannt wurde.

Zudem gehe es für ihn auch um eine "ökumenische Idee". Einen Wunsch, den offenbar auch Kurienkardinal Kurt Koch teilt: Der erneuerte Naumburger Marienaltar könne "zum Sinnbild erneuerter kirchlicher Einheit" werden, heißt es in dem zum Kunstwerk erschienenen Katalog.

Dennoch sind nicht alle begeistert von dem großformatigen Kunstwerk im Westchor: Denkmalschutzbehörden hatten bemängelt, dass die Aufstellung des dreiflügeligen Altarbildes den Welterbestatus des Naumburger Doms gefährden könnte - dadurch seien nicht mehr alle Stifterfiguren aus dem 13. Jahrhundert beim Eintritt in den Westchor für den Besucher auf einen Schlag sichtbar.

Da das Bild jedoch vollständig umgangen werden kann, erleidet der Besucher nach Auffassung der Vereinigten Domstifter keinen Seh- oder Informationsverlust. Alle Bestandteile der Architektur des Westchores könnten wie zuvor wahrgenommen werden. "Uta guckt nicht mehr versonnen ins Leere, sondern auf einen Altar", bekräftigt die Dechantin der Vereinigten Domstifter, Karin von Welck, in Anspielung auf die berühmteste Figur, Uta von Naumburg. Das Altarbild verbleibe dennoch zunächst nur bis Dezember im Westchor des Domes: Die denkmalschutzrechtlichen Fragen seien zu klären.

Und was hätte Lucas Cranach zu der Ergänzung seines Bildes gesagt? Triegel muss bei der Frage lachen. "Ich weiß nicht, was Cranach gesagt hätte", meint er. Dieser sei nicht der "Hauptheld" für ihn als Maler. "Wenn ich Albrecht Dürer hätte ergänzen müssen, hätten meine Hände beim Malen bestimmt gezittert."

(kna)

Autor:

Online-Redaktion

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