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Assisi
Man muss ein bisschen verrückt sein, dann geht's

Foto: pixabay.com/evondue

Rund fünf Millionen Besucher empfängt das kleine umbrische Städtchen Assisi pro Jahr. Um die Anliegen der vielen Deutschen kümmert sich Bruder Thomas Freidel - als Pilgerseelsorger im Geburtsort des heiligen Franziskus.

Von Severina Bartonitschek

Um kurz nach 6 Uhr morgens ist es noch still in Assisi. Der steile Weg hoch zur Basilika San Francesco ist menschenleer. Die Pilger schlafen noch, die Busse für die Tagestouristen ruhen in ihren Depots. Wach sind nur die Franziskaner. Ein grauer oder schwarzer Habit nach dem anderen huscht in die Unterkirche zum Morgengebet. Unter ihnen Bruder Thomas Freidel. Es werden die letzten ruhigen Minuten des Tages für den gebürtigen Pfälzer sein.

Der Franziskaner-Minorit ist seit 14 Jahren der deutsche Pilgerseelsorger in Assisi - dem Geburtsort des heiligen Franziskus, Namensgeber für den aktuellen Papst. Rund fünf Millionen Menschen besuchen das kleine Städtchen hoch auf einem umbrischen Hügel jedes Jahr. Beachtlich bei nur gut 28.000 Einwohnern. Bruder Thomas allein kommt auf zehn- bis zwölftausend persönliche Begegnungen im Jahr. Der 54-jährige ist so etwas wie eine deutsch-italienische One-Man-Show in Gemeinschaft. Als einziger deutscher Franziskaner ist er in Assisi Ansprechpartner für die Anliegen der deutschsprachigen Besucher.

Einzelpilger klopfen spontan an die Klosterpforte und fragen nach einem Gespräch. Touristen buchen Führungen bei ihm. Große Gruppen bitten um organisatorische Unterstützung bei ihrer Assisi-Wallfahrt. Täglich lande mindestens eine Anfrage in seinem E-Mail-Posteingang, erzählt der Ordensmann. Bis zu vier Führungen mache er am Tag für Schulklassen, klassische Busreisegruppen oder Kunstinteressierte.

Organisieren tut er das alles selbst. Zugleich lebt und betet er mit Mitbrüdern aus aller Welt zusammen. Eine kleine Gruppe hat sich auch heute versammelt. Sie wollen sich von Bruder Thomas die Basilika zeigen lassen. Dort, wo der Ordensmann heute Morgen noch in aller Ruhe gebetet hat, herrscht nun reger Betrieb. Zwischen den buntbemalten Wänden - stattliche 12.000 Quadratmeter sind in der Basilika verziert - ist ein munteres Stimmengewirr in unterschiedlichsten Sprachen zu vernehmen. Führungen anzubieten und Seelsorger zu sein - das passt für den Minoriten sehr gut zusammen. "Wir sehen die Führungen als einen seelsorgerischen Dienst, als Glaubensverkündigung. Der Kern ist immer das religiöse Fundament", erklärt er.

So komme es auch immer wieder zu berührenden Momenten. Etwa wenn die Menschen ihr eigenes Leben in den Geschichten der Fresken wiederfänden; wenn sie merkten, hier geht es um Fragen, die auch sie berühren. Wenn sich der Franziskaner nicht gerade um Deutsche kümmert, beschäftigt er sich mit seinem zweiten Job. So ist er zugleich Direktor des Basilika-Museums. Kostbare Stücke sind hier ausgestellt, etwa ein winziges Stück aus dem Kreuz Jesu. Oder das Werk "Der heilige Franziskus und die vier Wunder nach seinem Tod" - eine bemalte Holztafel, auf der Franziskus nach seinem Tod gewaschen worden sein soll.

Wenn Bruder Thomas über die Werke spricht, glänzen seine Augen. "Der 'alte Krempel' hat mich schon immer interessiert", erzählt er. Schon sein Vater habe in seinem Geburtsort Fußgönheim einen Heimatverein und ein Museum gegründet. "Da war ich familiär vorbelastet", sagt der Ordensmann und lacht. Vor zwei Jahren hat er den Posten als Direktor angetreten. Neue Herausforderungen, neue Impulse seien wichtig, um innerlich in Bewegung zu bleiben, findet er. Dafür sei er schließlich Franziskaner geworden.

Nach Assisi kam er 2008 eher zufällig. Nach seiner Weihe zum Diakon arbeitete er elf Jahre in einer Pfarrei in Kaiserslautern. Schon da hielt er Vorträge etwa über die Fresken in Assisi. Das Zusammenspiel von Kunst und Verkündigung seien immer eine private Leidenschaft von ihm gewesen, erzählt Bruder Thomas. Auch Italienisch habe er eigentlich nur gelernt, um die Quellen und wissenschaftlichen Arbeiten zum heiligen Franziskus lesen zu können. Damals sei es für ihn an der Zeit gewesen, etwas Neues zu machen. Zeitgleich sei in Assisi ein Nachfolger für den damals 80-jährigen deutschen Pilgerseelsorger gesucht worden. 2Ich habe angeboten, die Aufgabe zu übernehmen, und seitdem bin ich hier", so der Minorit. Zwei Sorten an Ordensmännern gebe es, die nach Assisi kommen: Die einen kämen gerne ein paar Jahre an den Ursprungsort des Ordens und gingen ebenso gerne wieder. Bei anderen passe einfach alles so gut zusammen, dass sie länger bleiben. Zu dieser Kategorie gehöre er.

Speziell ist das Leben in Assisi durchaus. Leben die Ordensmänner normalerweise in kleinen Gemeinschaften von etwa fünf Mitbrüdern, sind es hier 55. Sie kommen aus Sambia und Argentinien, von den Philippinen, aus Vietnam und Indien. Sprache, Sitten und Gebräuche sind Italienisch. Besonders ist auch: Die Ordensbrüder gehen nicht raus, die Menschen kommen zu ihnen. Manchmal gebe es Monate, da verlasse er Assisi gar nicht, erzählt Bruder Thomas. Das müsse man mögen. Er persönlich sieht es als große Chance. "Überall in der Kirche wird geklagt, dass niemand mehr kommt. Uns laufen sie die Türen ein", so der Bruder. Unsere Aufgabe ist es da, präsent zu sein. Er kenne etliche Leute, die hier ihre kirchliche Heimat gefunden haben.

Assisi zu verlassen, das kann sich der Franziskaner gerade nicht vorstellen. Wenn es jemanden gebe, der die Leidenschaft für seine Aufgaben teilt, würde er dem aber nicht im Wege stehen. Grundsätzlich hält der 54-Jährige nicht viel von übertriebener Planung. Vieles ergebe sich einfach und das sei gut, so Bruder Thomas. "Man muss halt ein bisschen verrückt sein, dann geht's", sagt er und lacht.

Autor:

Online-Redaktion

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