Landesgartenschau Torgau: Episode 3
Abseits der befestigten Wege
Eine Menschentraube umzingelt eines der häufigsten Foto-Motive der Landesgartenschau – eine Art überdimensionalen runden Bilderrahmen, in den man sich selbst setzen oder stellen kann, dahinter der Blick auf die Elbe. Oben steht der Schriftzug „Landesgartenschau Torgau“.
Von Ann-Sophie Wetzer
Ein hölzernes Riesen-Bullauge, das den Touristen helfen soll, ihren Lieben zuhause schnell und ohne viel persönliches Geschnörkel die richtige Botschaft zu senden: Ich war hier. Durch den Foto-Rahmen geschaut, wird der Fluss eingefangen wie auf einer Postkarte. Man könnte auf den Gedanken kommen, eine Runde darin zu schwimmen und ganz vergessen, dass hier ein reißendes Gewässer vor einem liegt.
Ein paar Schritte weiter, direkt vor dem Damm, im Grün der Elbwiesen, steht ein alter Bauwagen. Hier stand bisher noch nie eine Menschentraube. Man muss den befestigten Weg, der vom neuangelegten Elbbalkon zum neuen „Deichgucker“ führt, verlassen, um hier hinzukommen. Der Wagen gehört zum angrenzenden Kirchenwäldchen, aber er steht für sich, etwas abseits. Die Tür steht immer offen, davor lädt ein Strandfähnchen ein: „Nimm Platz!“ Und im Bauwagen Platz zu nehmen, erfordert Überwindung.
Abgeschirmt von der Sonne und vom Laga-Getümmel ist man plötzlich für sich, in der Stille und im Dunkel des Wagen-Inneren. Warum sollte man hier freiwillig herkommen? Eine Kerze in einem großen Windlicht erhellt den kleinen Raum. An einem Tisch kann man sich setzen. An der Wand die Geschichte von Jona im Fischbauch. Und sein Gebet, das er im Bauch des Fisches betet, nachdem dieser ihn aus den Fluten gerettet und verschluckt hat. Ein Psalm, der unter die Haut geht:
"Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott! Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem Herrn."
Aus dem Sommergewimmel rein in den Fischbauch. Aus dem Stimmengewirr rein ins Gebet. Den eigenen Ängsten begegnen; den eigenen Fluchtgedanken, den Sorgen um den eigenen Platz; eintauchen in Erfahrungen von Rettung und Bewahrung. Ein offenes Ohr finden. Einen geschützten Raum.
Die Menschen finden meist einzeln hierher. Den befestigten Weg zu verlassen, braucht Überwindung. So ein Gebet aus der Tiefe hat nicht immer und überall Platz. Es braucht seine Zeit. Und es braucht einen Ort abseits der Alltagswege. Gut, dass wir als Kirche solche Orte haben und sie offenhalten.
Autor:Online-Redaktion |
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