Predigttext
Suche nach Gott

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„Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist.“ Jesaja 55, Vers 6

Auf einem kurzen Spazierweg durch den Park passiere ich eine niedrige Steinmauer. Dahinter kauert ein Mädchen: bunte Jacke, verschwörerischer Blick, sie legt sich den Zeigefinger auf den Mund. Ich höre ein anderes Kind rufen: „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein!“ Es steht mit dem Gesicht zu einem Baum und hat die Hände über die Augen gelegt.

Von Henrike Kant

Ehe es sich umdreht, fügt es noch an: „Wer vor mir steht, wer hinter mir steht, wer neben mir steht – das güldet nicht.“ Dann erst geht die Suche nach den Freundinnen und Freunden los, die sich ringsum versteckt halten.

Ein Versteckspiel macht keinen Spaß, wenn die Mitspielenden sich nicht bemühen, ein gutes Versteck zu finden, sondern sich direkt an das Abschlagmal stellen, um sich gleich zu Anfang freischlagen zu können. Dann fehlt auf beiden Seiten das Geheimnis, es fehlt die Spannung auf dem Weg, der Stolz über das gute Versteck und die Freude des suchenden Kindes, es doch aufgedeckt zu haben.

Von dieser Spannung und dem Geheimnis lese ich beim Propheten Jesaja. Mit anderen Israeliten lebt er im Exil. Sie leben dort schon seit vielen Jahren. Gewöhnen sich an das einst fremde Essen, die fremde Kultur, die fremde Religion. Manches übernehmen sie, machen es sich zu eigen. Sie passen sich dem Klima und der Gesellschaft an. Sie haben sich eingerichtet im neuen Leben.

Aber Jesaja unterbricht ihren Alltag. Er gibt ihnen Worte Gottes, die er gehört und weitergeformt hat. Er spürt, dass sein Volk im Begriff ist, Gott zu vergessen. Er fordert es auf, sich zu erinnern. Denn solange es sich erinnert, ist der Kontakt nicht abgebrochen. Solange es noch nach Gott fragt, lässt er sich auch finden. Doch er will gesucht werden, so sagen es mir die Bibelworte.

Gott stellt sich mir nicht in den Weg. Er steht nicht am Abschlagsmal, um gleich gesehen zu werden, sobald die Suche beginnt. Er ist ein verborgener Gott, der sich nicht aufdrängt. Er hinterlässt seine Spuren in der Welt, er begegnet uns – aber ich kann ihn nur erkennen, wenn ich mich auf die Suche nach ihm einlasse. Wenn ich nach ihm frage, wenn ich die Augen offen halte.

Ob ich skeptisch nach ihm Ausschau halte, ob ich verzweifelt nach ihm rufe, ob ich ihm freudig danke – ich kann darauf vertrauen: Er ist schon da. 

Die Autorin ist Pfarrerin in Biederitz.

Henrike Kant, | Foto: privat
Autor:

Online-Redaktion

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