Apolda
Die Mädels fliegen auf den Bienen-Max
Mein Leben war schon immer anders«, sagt Max Reschke und ruft die Bedienung des kleinen Cafés, in dem wir zum Gespräch verabredet sind. »Ob Sie vielleicht noch etwas Honig hätten?« Die Dame mit der schwarzen Barschürze schaut irritiert über den Rand ihrer Brillengläser: »Möchten Sie den für Ihren Kaffee?« Max Reschke lächelt und nickt: »Honig muss sein!« Ein unscheinbarer Satz, gesprochen in einer Alltagssituation, die nicht der Erwähnung wert wäre. Doch hinter diesen drei Worten steht ein Lebensprinzip.
Von Beatrix Heinrichs
Max Reschke ist 23, Sprecher der Grünen im Kreisverband des Weimarer Lands und seit zwölf Jahren Imker. Begonnen hatte alles mit dem Wunsch nach einem Haustier. »Eigentlich wollte ich Hühner«, erinnert sich der Apoldaer. Sein Großvater sei es dann gewesen, der ihn mit dem Imker-Gen infizierte. Der nämlich stammte aus einer Imkerfamilie, konnte jedoch aufgrund einer Bienenstich-Allergie das Handwerk nicht fortführen. »Meinen Eltern schien die Anschaffung eines Bienenvolks offenbar unkomplizierter. Zumal sie da noch glaubten, das sei ein Spleen, der wieder vorbeigeht.« Reschke schmunzelt, denn was als Spleen begann, heißt heute »Immenhonig« und ist seit 2013 ein zertifizierter Bioland-Betrieb.
Zusammen mit »seinen Mädels« wie er die Bienen liebevoll nennt, produziert Reschke sechs verschiedene Honigsorten, dazu Honigaufstriche, Honigwein und Honig-Essig. Seit Kurzem bietet er über seinen Onlineshop auch selbstgefertigte Bio-Wachstücher an, mit denen sich das Frühstücksbrot umweltschonend verpacken lässt. Den Honig sammeln »die Mädels« im gesamten Weimarer Land, einen Bienenwagen hat Reschke zum Beispiel am Eiermann-Bau in Apolda, einen anderen in Oberndorf, wo auch die Familie wohnt. 25 Wirtschaftsvölker hat er aktuell mit je bis zu 70 000 Bienen.
70 000 Bienen, das muss eine Verantwortung sein, die laut in den Ohren eines jungen Menschen summt. »Als ich im Teenager-Alter war, sind meine Freunde freitags ausgegangen und haben am Samstag ausgeschlafen. Ich dagegen stand schon früh morgens in Apolda auf dem Markt und habe Honig verkauft.« Das sagt er ganz ohne Bedauern. Die Imkerei ist ihm nicht nur ein geliebtes Hobby, ein willkommener Nebenerwerb während des Studiums. Die Sorge für das kleine Insekt ist für ihn eine Haltungsfrage, die über die Abmessung seiner Bienenkästen hinausreicht und aus der auch seine politische Überzeugung erwächst.
»Die Biene ist das Zünglein an der Waage unseres Ökosystems«, sagt Reschke, der im April von den Grünen des Weimarer Landes als Direktkandidat für die Landtagswahl nominiert wurde. »Die Biene ist aber winzig, stirbt sie durch Agrargifte auf dem Feld, sieht das niemand. Würde auf einer Weide eine Herde Kühe tot umfallen, hätten wir einen handfesten Skandal.« Er selbst habe über die Jahre schon einige Male Völker sterben sehen, erklärt der Imker. »Ich kenne die Probleme aus erster Hand. Ich kann gar nicht wegsehen.«
Nein, wegsehen, das kann Max Reschke nicht. Hat er auch nicht, als im letzten Jahr in Mattstedt und später in Apolda Rechtsrock-Konzerte stattfinden sollten. Wochen waren das, am Rande der Belastungsgrenze. »Ich konnte es nicht akzeptieren, der rechten Szene diese Orte als Versuchsplätze für ihre Ideologie zu überlassen«, erklärt Reschke. Unterstützer für dieses Vorhaben zu gewinnen, sei allerdings in den Orten selbst nicht einfach gewesen. »Die Mitte, diejenigen, die sich nicht positionieren, halte ich für problematisch.« Doch Farbe zu bekennen spaltet, Dörfer und Familien. Manchmal sogar die eigene. Das aber deutet Max Reschke nur an. Kein Bedauern. Aber vielleicht die wache Ahnung, dass Haltung ihren Preis hat. »Die älteren Imker im Verein sagen: Wir sehen die Probleme auch, aber was sollen wir noch ausrichten?« Max Reschke legt den Löffel, mit dem er gerade noch den Honig verrührt hat, neben die Kaffeetasse und sieht auf. »Aber ich, ich kann vielleicht noch etwas verändern.«
Autor:Beatrix Heinrichs |
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