Mitten im Tod, mitten im Leben
Karfreitag und Ostern im Angesicht des Todes. Unser Gastautor hat Krebs. Wie er als »berufener Diener des Wortes« damit umgeht und was seine Hoffnung ist, hat er hier aufgeschrieben:
Von Roland Herrig
Es gab Zeiten, da galt der Karfreitag als höchster evangelischer Feiertag. Dass Christus für uns gestorben ist, wurde in feierlich-ernsten Abendmahlsgottesdiensten begangen. Diese Zeiten sind lange vorbei.
Ich kenne Christen, engagierte Gemeindeglieder, die gehen Karfreitag gerade nicht in die Kirche, sondern erst am Ostersonntag. Mit Tod und Sterben wollen sie nicht noch im Gottesdienst belästigt werden, wo doch in unserer Welt schon genug gelitten und gestorben wird. Sie wollen das Leben feiern und nicht den Tod.
Der höchste Feiertag der ganzen Christenheit ist selbstverständlich Ostern und nicht Karfreitag. Jesus ist gestorben, das müssen alle Menschen einmal. Wenn auch meistens nicht so grausam. Aber Jesus hat den Tod besiegt.
Vor wenigen Monaten ist mir der Tod sehr nahe gekommen. Ich hatte ihm bisher immer gesagt: »Du hast noch Zeit. Komm später wieder.« Als ich ihm mit 20 Jahren knapp von der Schippe gesprungen war, habe ich es erst hinterher erfahren, wie ernst es war. Als ich mit 30 eine bösartige Erkankung des Lymphsystems hatte, habe ich auf die guten Heilungschancen vertraut, und es wurde wieder gut. Als ich mit Mitte 40 einen Herzinfarkt bekam, konnte mir rechtzeitig geholfen werden. Jetzt, bald Mitte 50, fanden sie einen Tumor an meiner Bauchspeicheldrüse mit Metastasen; keine Art von Krebs hat schlechtere Prognosen.
Immer wieder geht mir ein Vers aus dem »Osterpsalm« 118 durch den Kopf: »Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen« (Ps 118,17). Das ist ein gutes Motto für mein Leben mit und meinen Kampf gegen den Krebs. Es stimmt Tag für Tag. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, ist das ein Stück Auferstehung: Ich lebe! Und ich lebe als Glaubender, als Hoffender, als Liebender. Die meisten wissen das. Und viele, die von mir hören, lesen, mit mir reden, mich besuchen, sind erstaunt darüber, wie ich mit meiner Krankheit umgehen kann. Das bin nicht ich; das ist Gottes Werk an mir.
Und dann ist da noch ein Wunder: Dass entgegen der schlechten Prognosen die Chemotherapie sehr gut angeschlagen, die Metastasen abgetötet und den Tumor wieder ganz klein gemacht hat. Ich hoffe, er lässt sich bald wegoperieren. – Ob daraus das ganz große Wunder der Heilung wird, weiß ich nicht. Aber ich habe Hoffnung – jedenfalls noch für etliche Monate, vielleicht Jahre: »Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.« Vielleicht sogar wieder auf der Kanzel und im seelsorgerlichen Gespräch – »als ein berufener Diener des Wortes«.
Karfreitag: Jesus ist gestorben. Ich werde sterben, ob schon bald oder erst in etlichen Jahren. Alle Menschen müssen sterben. Der Tod definiert uns. Er zwingt uns zum Leben, weil wir nur begrenzte Zeit haben. Ohne Tod gibt es kein Leben.
Trotzdem nennt die Bibel den Tod einen Feind. Es ist richtig, für das Leben zu kämpfen – für das eigene und das der anderen. So wie Ärzte gegen den Tod kämpfen oder Friedensaktivisten oder Lebensschützer, die das Töten verhindern wollen, oder auch Soldaten oder Polizisten, die im Ernstfall gerade um des Lebens willen töten müssen … Oder wie Jesus, der Kranke heilt, Tote erweckt und sich doch selber in den Tod opfert, um vielen – der Glaube sagt: uns allen – das Leben zu bewahren.
Gerade im Tod hat er den Tod besiegt. Ohne Karfreitag gibt es kein Ostern. Aber der Auferstandene hat den Tod hinter sich gelassen: »Ich werde nicht sterben, sondern leben« – Wir Christen legen diesen Satz Christus in den Mund. Und wir sprechen ihn selber mit, weil wir darauf vertrauen, dass wir dorthin kommen werden, wo der Tod tot sein wird. Ohne Ostern hätte auch Karfreitag keinen Sinn.
Der Autor ist Pfarrer in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Sebnitz/Sachsen.
Autor:Online-Redaktion |
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