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Schutz unter dem Kirchendach

Dietlind Jochims | Foto: Arbeitsstelle Ökumene

Kirchenasyl: Politiker kritisieren es. Pastorin Dietlind Jochims, Bundesvorsitzende der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft »Asyl in der Kirche«, findet es unabdingbar.

Wie dringend ist das Kirchenasyl?
Jochims:
Sehr dringend. Denn leider kommt es immer noch vor, dass Menschen bei der Prüfung ihres Schutzbegehrens nicht zu ihrem Recht kommen. Die Folge: Leib und Leben dieser Menschen wären bei einer Abschiebung bedroht.

Wer geht in Deutschland ins Kirchenasyl?
Jochims:
Es sind einzelne Menschen oder Familien, die meist bei einer Kirchengemeinde um Kirchenasyl bitten. Die Entscheidung der Gemeinde hängt davon ab, ob es sich um einen besonderen Härtefall handelt. Das betrifft auch viele sogenannte »Dublin-Fälle«, denn die meisten Zufluchtsuchenden, die nach Deutschland kommen, reisen über andere Länder ein und bekommen dann einen Bescheid, wonach das europäische Ersteinreiseland zuständig ist. Hier kann es zu unzumutbaren Härten kommen. Die meisten Menschen in Kirchenasylen stammen aus Afghanistan, dem Irak und dem Iran.

Was kann ein Kirchenasyl bewirken?
Jochims:
Die befristete Aufnahme im Kirchenasyl ermöglicht eine erneute rechtsstaatliche Prüfung in besonderen Härtefällen – übrigens von Anfang an transparent gegenüber den zuständigen Behörden und im engen Kontakt mit ihnen. Kirchenasyl stärkt das rechtsstaatliche Verfahren besonders im Hinblick auf das grundgesetzlich verankerte Recht jedes Menschen auf Menschenwürde, Freiheit und körperliche Unversehrtheit.

Bei den »Dublin-Fällen« gibt es den Vorwurf, dass Kirchenasyle auch dazu dienen könnten, die Zeit so weit auszudehnen, dass Deutschland in das Verfahren eines anderen Landes eintreten muss …
Jochims:
Es geht nicht um das Abwarten von Fristen, sondern darum, inhaltlich darzustellen, wo im Einzelfall besondere Härten liegen. Deshalb wird ein Dossier mit diesen Informationen, wie 2015 mit dem BAMF verabredet, so schnell wie möglich dorthin geschickt – und das Bundesamt überprüft den Fall. Die Dublin III-Verordnung schreibt vor: Innerhalb von sechs Monaten muss eine Rücküberstellung in den zuständigen Staat erfolgen. Das bedeutet für den Betroffenen Rechtssicherheit. Wird die Rücküberstellung nicht innerhalb dieser Zeit durchgeführt, tritt im Re-
gelfall Deutschland in das Asylverfahren ein.

Warum gibt es gerade bei Leuten, die der Kirche nahestehen, ein Problem mit dem Kirchenasyl?
Jochims:
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat mal gesagt, in seiner Brust würden zwei Herzen schlagen – das des Innenministers und das des Christen. Beides, ein politisches Amt und den persönlichen Glauben, unter einen Hut zu bringen, ist sicher nicht immer leicht. Meine Erfahrung ist: Wenn ich gegenüber politisch Verantwortlichen ganz konkret von Flüchtlingen und ihren Schicksalen berichte, Einzelfälle und Beispiele schildere, dann wird auf der anderen Seite oft genickt, und die Zuhörer sagen: Ja, das kann ich nachvollziehen.

Die Fragen stellte Benjamin Lassiwe

Autor:

Online-Redaktion

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