Gott in allen Dingen finden
Ein Buch für alle, die Gott suchen und für die Option offen sind, ihn im Garten zu finden
Von Felix Leibrock
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Die Frage der Reformation stellt niemand mehr. Heute treibt viele eine andere Frage um: Gibt es Gott? Wo ist er? Vielleicht würde Luther heute mit der mittelalterlichen Mystik antworten. Die hat zwei Wohnorte Gottes ausgemacht. Erstens wohnt Gott in mir drin, in meinem Herzen, meiner Seele. Zweitens: Gott wohnt in der Natur, in allen Dingen. Von dort aus spricht er zu uns. Gibt Rat, wie wir unser Leben führen. Lässt uns nach schweren Zeiten wieder erblühen. Mystikerinnen wie Mechthild von Magdeburg, aber auch ein Ignatius von Loyola, stehen für die These des omnipräsenten, uns umfließenden Gottes.
Wie kann ich Gott in allen Dingen finden? Marion Küstenmacher hilft uns dabei. Mit der erweiterten Neuausgabe ihres Buches »Der Seele einen Garten schenken« nimmt sie mystische Traditionen auf und ermutigt uns, die Augen zu öffnen.
Gott spricht zu uns durch Hagebutte, Moos und Unkraut. Er zeigt sich uns in Frost, Nebel und Wolken. Aber auch Gießkanne, Schere und Zaun sind Hinweise auf Göttliches. Der ganze Garten – ein einziger Gottesort. Was die Autorin uns nahebringt, ist eine uralte, aber verschüttete Kunst: Die Dinge hinter den Dingen zu sehen. Im Mittelalter war das gängige Praxis bei der Bibelauslegung. Bei Bibelworten gab es den wörtlichen Sinn, aber auch die dogmatische Bedeutung, die moralische Anwendung und die Verbindung zu einer künftigen und besseren Welt. Dieses Verfahren lässt sich auch auf die realen Dinge der Welt anwenden. Farne zum Beispiel vereinen Licht und Schatten wie kaum eine andere Pflanze. Damit stehen sie für zwei Seiten, für Glücken und Scheitern menschlicher Beziehungen, aber auch für die Schattenseiten in uns selbst. So, wie Farne an dunklen Orten wachsen, sind auch wir lebensfähiger, wenn wir uns mit den Schatten in uns selbst konfrontieren. Küstenmacher geht von der Natur aus und fragt dann nach Gott, unserer Psyche und der Weltentwicklung. Trotz eines Germanistikstudiums schreibt die Theologin verständlich, anschaulich. Oft gelingen ihr poetische Bilder von entrückender Schönheit, so bei der Birke: »Sie ist leicht. Anmutig. Zart. Und auf ihrer glatten, weißen Spiegelrinde schimmern schwarze Schriftzeichen, so fein und grazil, als habe eine Elfe im Mondschein der Birkenrinde ihre geheimsten Gedanken anvertraut.«
Ein Buch für alle, die die Natur lieben. Ein Lebenshilfebuch. Ein Buch auch für alle, die Gott suchen und für die Option offen sind, ihn im Garten zu finden.
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