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Versuch einer Rehabilitierung
JOHANNES BOLTE

Kennen Sie die Löffel-Liste? Es ist die Liste der Dinge, die einer unbedingt noch tun möchte, bevor er "die Löffel abgibt", d,h, bevor er stirbt. Zu meiner Löffel-Liste gehört ein Büchlein über Johannes Bolte. Denn als wir
2001 in das alte Pfarrhaus von Hemleben einzogen, hatte ich beschlossen, über meinen legendären Vorgänger im Haus zu arbeiten  und etwas zu veröffentlichen, damit sein Name nicht vergessen wird. Das entsprach ganz den Intensionen der Frauen aus dem Gemeindekreis, welche Johannes Bolte persönlich kennen gelernt hatten, manches von ihm zu erzählen wussten und mich bei meinen Bemühungen unterstützt haben.

Wer war Johannes Bolte? Er war ein mit besonderen Gaben ausgerüsteter Pfarrer, der seine Diagnosen mit dem Pendel erstellte und überraschende Heilerfolge erzielen konnte. Aus einem Pfarrhaus stammend, war er am 21.08.1900  in Briesen (Niederlausitz) geboren, studierte in Greifswald, Erlangen, Halle/S und Berlin Theologie (und einige Semester Medizin) und wurde 1926 in Berlin ordiniert. Als ich seinen Lebenslauf zusammen stellte, fiel mir auf, dass er zunächst in keiner Pfarrstelle länger verblieb und oft nur kommissarische angestellt war. Seine längste Amtszeit hatte er von 1947-1959 in Hemleben, wo er sich offensichtlich sehr wohl gefühlt hat. Er hielt bis auf die Wochenenden täglich Sprechstunde, befasste sich mit Homöopathie, Heilmag-netismus und Pendelforschung, und er hatte solchen Zulauf, dass er die Arbeit kaum schaffen konnte. So schrieb er Rundbriefe und lud alle Heilungssuchenden zu seinen Gottesdiensten ein, die in der schönen Jahreszeit sehr schnell überfüllt waren. Darüber hinaus machte er sich Gedanken über den Arztberuf, das Studium der Medizin, das Verhältnis von Ärzten und Patienten, die Grundsätze des Heilens und die "medizinischen Hauptsünden" seiner Zeit. Unter den 95 (!)Thesen zur Heilkunde sind viele kluge Sätze, und immer formuliert er aus der Sicht des Pastors, der mit besonderen Gaben ausgerüstet ist. Zu den Medizinern hatte er ein gespaltenes  Verhältnis, und er hat sie sich nicht zu Freunden gemacht. Schon gar nicht die seiner näheren Umgebung. Das ist ihm dann auf die Füße gefallen. Zwei Prozesse sind ihm gemacht worden. Im 1. Prozess ging es um die nicht vorhandene Zulassung als Heilpraktiker. Die wurden in der DDR nicht neu zugelassen. Im 2. Prozess ist er dann, da unbelehrbar, verurteilt worden zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die Bolte in Halle/S, Coswig und Naumburg/S abgesessen hat. Natürlich spielte auch der Neid eine Rolle. Der Neid gewisser Ärzte aus Kölleda auf Boltes Erfolge als Heiler. Und der Neid gewisser Herren vom Rat des Kreises Artern auf übervolle Sprechstunden und Gottesdienste in einer Zeit, in der die Schraubzwinge des Atheismus immer stärker angezogen wurde. Nicht zufällig hat Bolte  gerade 95 Thesen formuliert. Er sah sich als Reformator von Kirche und Medizin und hat nie aufgehört, auf den Aufbruch einer neuen Zeit (ein Zeitalter des Geistes) zu hoffen. Nach Verbüßung der Strafe ist Bolte, ohne Absprache mit seiner Landeskirche, der Kirchenprovinz Sachsen, von einem Erholungs-Aufenthalt in der BRD nicht zurückgekehrt. Ich muss hinzufügen, dass Bolte von seiner Landeskirche im Grunde im Stich gelassen wurde. Ich fand in den Akten weder einen Hinweis auf juristischen Beistand noch darauf, dass Bolte  von einem der hohen Herren aus Magdeburg oder auch nur on seinem Heldrunger Superintendenten im Strafvollzug besucht worden wäre. Nach einigem Hin und Her ist Bolte, der zunächst ohne jede Versorgung war, dann in die Versor-gung der EKiD übernommen und "wegen dauernder Dienstunfähigkeit" in den Vorruhestand versetzt worden. Nun konnte sich Johannes Bolte ganz seinem Hobby widmen: Bücher schreiben, Vorträge halten und einen umfangreichen Schriftverkehr bedienen (Schauen Sie mal ins Internet!). Johannes Bolte starb  am 21.02.1991 in Heidelsheim bei Bruchsal, wo er auch begraben liegt. 

Mein Büchlein über Bolte ist erschienen unter dem Titel "Johannes Bolte, Pastor, Pendler, Heiler, Nur sein Reich bleibt bestehen" im Engelsdorfer Verlag Leipzig und ist bei mir oder oder im Buchhandel zu bestellen
(ISBN 978-3-86268-931-6). Es enthält seinen Lebenslauf, beide Prozesse, die 95 Thesen zur Heilkunde, einige Fotos, Geschichten um Bolte, Rundschreiben, Zeugnisse von Patienten und einige Gedichte.

Autor:

Martin Steiger

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