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Prediger, Täufer, Asket 

Farbglasfenster mit der Darstellung Johannes des Täufers. | Foto: epd-bild
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Johannes der Täufer: Warum Verzicht Gewinn bedeutet

Von Paul Metzger

Johannes der Täufer verliert und gewinnt. Er verliert seine soziale Heimat und gewinnt eine neue Familie. Er verzichtet auf seine religiösen Gewohnheiten und gewinnt ein neues Heil. Er verliert seine traditionellen Riten und schafft einen neuen Ritus.
Wer Askese betreibt, will nicht einfach verzichten. Man verzichtet in der Regel nicht um des Verzichtens willen. Man fastet z.B., um gesund zu bleiben oder zu werden. Man entsagt der modernen Konsumgesellschaft, um sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Der Verzicht wird also geübt, um ein höheres Gut zu gewinnen. Der Asket verzichtet auf die Annehmlichkeiten der Welt, um in stiller Abgeschiedenheit sein wahres Glück bei sich selbst und/oder bei Gott zu finden. Die innere Einkehr will nicht durch äußere Faktoren abgelenkt werden. Der Verzicht dient der gesteigerten Konzentration.
Bei Johannes dem Täufer ist das genauso. Aus den antiken Quellen, vor allem dem Neuen Testament und einem kurzen Text des jüdischen Historikers Flavius Josephus, lässt sich schließen, dass Johannes vielleicht aus einer Priesterfamilie stammt. Er dürfte demnach mit der jüdischen Religion seiner Zeit gut vertraut gewesen sein. Diese findet ihr Zentrum in Jerusalem. Der Tempel und der an ihm stattfindende (Opfer)-Kult sind von großer Bedeutung. Johannes verzichtet aber auf eine Karriere in der Priesterschaft. Er geht einen ganz anderen Weg als ihn die Familiengeschichte vorzugeben scheint.
Nach Lukas 3,1 tritt Johannes erstmals im 15. Jahr der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14–37 n. Chr.) öffentlich in Erscheinung, also ca. 28 n. Chr. Laut Flavius Josephus scheint Johannes nach dem Vorbild der antiken Philosophen vor allem Tugenden wie Gerechtigkeit und Frömmigkeit gelehrt zu haben. Das Neue Testament zeichnet ihn aber deutlich als jüdischen Propheten, der im Namen Gottes spricht und handelt. Nach Markus 1,6 ist er mit einem Gewand aus Kamelhaaren bekleidet, das von einem Ledergürtel gehalten wird. Er isst Heuschrecken und wilden Honig. Diese Beschreibung zeigt den Anspruch des Johannes, der sich nach Art der alttestamentarischen Propheten kleidet und damit seine Position außerhalb der Gesellschaft demonstriert. Er verzichtet auf gewöhnliches gesellschaftliches Ansehen und macht sich den Wüstenbewohnern, den Beduinen, gleich. Damit erinnert er an die Zeit der Wüstenwanderung Israels und zeigt, dass es für Israel an der Zeit ist, einen Neuanfang zu wagen. Der Verzicht wird zur Demonstration des Aufbruchs, er führt in die Unsicherheit jenes Neuanfangs, der nötig ist, um Israels Heil neu zu erlangen.
Die religiöse Dimension wird durch das Angebot eines neuen Rituals ausgedrückt. Johannes verzichtet auf den Tempelkult und setzt ihm seine Taufe entgegen. Damit entspricht er einem zu seiner Zeit verschärften Schuldbewusstsein seiner Mitmenschen. Johannes predigt vom kommenden Gericht Gottes, das er in Anlehnung an alttestamentliche Traditionen als Feuergericht versteht. Er erwartet dieses Feuergericht unmittelbar und sieht deshalb die Notwendigkeit, Israel aufzurütteln. Als Prediger scheint er in ethischer Hinsicht so einflussreich gewesen zu sein, dass er das Missfallen seines Landesherrn auf sich zog, weil er die Heiratspolitik des Herodes kritisierte und dafür letztlich hingerichtet wurde. Vor allem die »Standespredigt« des Lukas (Lukas 3,7-18) zeigt, dass Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit für Johannes wichtiger waren als die Abstammung von Abraham. Er gewichtet demnach die Tat höher als das Sein und widerspricht damit teilweise dem religiösen Standesbewusstsein seiner jüdischen Zeitgenossen.
Das, was er anstelle der traditionellen Riten anbietet, soll ein Zeichen der Umkehr sein: die Taufe. Dass Johannes von seinen Zeitgenossen den Beinamen »der Täufer« erhält, zeigt die Bedeutung der neuen Symbolhandlung. Diese ersetzt die für ihn offenbar wirkungslos bleibenden Riten des Tempelkults. Nur durch die Taufe erlangt der Täufling Vergebung seiner Sünden (Markus 1,4) und wird durch das Wasser vor dem Feuer bewahrt. Während also Johannes mit Wasser tauft, wird derjenige, der das Gericht nach ihm vollzieht, mit Feuer taufen (Lukas 3,16). Dem Täufer selbst kommt eine Mittlerfunktion zu. Er vermittelt den letzten Ausweg aus dem Gericht. Insofern hat die Taufe einen heilsstiftenden Charakter und bewirkt eine Neuausrichtung des Lebens (Markus 1,5). So gehören Predigt und Taufe eng zusammen. Johannes tauft im Bewusstsein einer ihm vermittelten Vollmacht. Die Vergebung der Sünden bewirkt demnach zwar Gott selbst, aber Johannes darf sie wirksam spenden.
Entsprechend den meisten Asketen verzichtet Johannes also auf sein bisheriges Leben, seine Gewohnheiten, und gewinnt dadurch eine neue Freiheit. Im Verzicht auf religiöse Sicherheit erschafft er in Verbindung mit seiner Predigt eine neue Symbolhandlung, die das wirklich gewinnt, was die traditionellen Riten nicht leisten: das Leben bei Gott.

Der Autor ist Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Pfalz.

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