Predigt über Jesaja 49,1-6
VON MUTTERLEIBE AN BERUFEN
1. Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an . . .
Da zieht einer ganz schön vom Leder. Und das ist nicht alles, was er zu rühmen hat: Der Herr hat mir meinen
Namen gegeben, bevor ich geboren war. Wie ein scharfes Schwert hat er meinen Mund gemacht. Er hat mich bedeckt mit dem Schatten seiner Hand. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht, der in seinem Köcher steckt.
Er hat zu mir gesagt: "Du bist mein Knecht Israel", der mich verherrlichen soll.
Ich frage: "Wer bietet mehr?" Mehr kann man nicht bieten! Das ist ein wie Grand Hand mit Vieren und einer lückenlosen Farbe von oben. Schneider und schwarz angesagt. 10 x 24 = 240 Punkte. Davon erholen sich die Mitspieler den ganzen Abend nicht . . . ! Doch das ist ein Vergleich. Wir sind nicht in einer Skat-Runde. Wir sind
in einem Gottesdienst und hören von einem Mann des AltenTestaments, dem 2. Jesaja, der von seiner Berufung
spricht. Wenige Kapitel zuvor (Jesaja 6) berichtet ein anderer Prophet gleichen namens von seiner Berufung, der 1. Jesaja. Seine Berufung ist nicht so dahin geschmettert (Friss Vogel oder stirb!). Sie ist eine richtige nachvollziehbare Geschichte. Einem Mann wird der Blick in den Himmel gewährt. Er sieht Gott auf seinem Thron, und er hört die Stimmen der Engel. "Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth!" Rauch steigt auf, und die Schwellen des Hauses beben. Und er erkennt seine Sünde und seine Verlorenheit: "Weh mir, ich vergehe!" Doch ein Engel kommt geflogen und berührt seine Lippen mit glühender Kohle: "Deine Sünden sind dir vergeben!" Und dann, als Sündloser, hört er Gott sprechen: "Wen soll ich senden? Wer will meine Bote sein?" Und der Prophet antwortet: "Hier bin ich. Sende mich!" Frage: Wie wird einer Prophet? Wie wird einer Sprach-rohr Gottes? Antwort: Durch Berufung! Der Eine wird vor vollendete Tatsachen gestellt: "Du bist mein Knecht Israel, der mich verherrlichen soll." Der Andere erlebt Gott in einer bewegenden Geschichte, erkennt seine Schuld, die ihm vergeben wird. Er wird gefragt und er antwortet: "Hier bin ich. Sende mich!"
Unser Freund Justus L. hatte seinen 80. Geburtstag. Dabei wurde er von der Pfarrerin gefragt: Lieber Justus, durch wen bist du zum Glauben gekommen?" Seine Antwort kam prompt: "Durch meine Mutter!" Und er wurde weiter gefragt: "Wolltest du schon immer Pfarrer werden?" Und er antwortete ebenso schnell: "Nein, ich wollte Bauer werden!" Die Antwort ist nachvollziehbar. In der Zeit des Krieges und danach war bei einer Pfarrwitwe mit vier Söhnen der Tisch fast immer mager bedeckt, während es bei den Bauern seiner Dorfes immer reichlich zu essen gab. Doch irgendwann muss er erkannt haben, dass aus der geistigen Welt umso mehr Kraft zu ziehen ist nach dem Wort Jesu: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein (den Bratenstücken, Schinkenscheiben und dem Selbstgeschlachteten), sondern (auch) vom Wort Gottes, das in einer ganz anderen Weise sättigt und bei den Fragen des Lebens hilft.
2. Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich (V. 4). Was ist der Grund für diesen Satz? Was hat er deprimie-rendes erlebt? Wir wissen es nicht, Gerade noch war er obenauf, bei guten Kräften und spricht fast prahlerisch: Ich bin berufen von Mutterleibe an! Und nun das tiefe, unwirtliche Loch. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.
Die Sache kennen wir. Wer von uns war nicht schon am Ende seiner Kraft? Wem schien das Leben nicht schob völlig sinnlos, die Überforderung zu groß, der Lustgewinn zu klein? Wer hat nicht schon gebetet wie der Beter von Psalm 130: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr zu dir. Herr, höre meine Stimme . . . So du willst Sünden zurechnen, Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte!" Oder wer hat nicht schon gebetet, wie der Beter von Psalm 69: "Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke im tiefen Schlamm. Ich habe mich müde geschrien, weil ich solange warten muss auf meinen Gott." Oder wer hat nicht schon gebetet, wie Jesus am Kreuz betete: "Mein Gott, mein Gott, warum? Warum hast du mich verlassen?
"Ich dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst!?" Arbeit hat Auswirkungen auf das Menschsein. Arbeit schafft Anerkennung, Lebensunterhalt und Zufriedenheit. Ohne Arbeit lungert einer herum und kommt auf dumme Gedanken. Die vielen Harz IV-Empfänger (Einheimische und Migranten) beweisen es.
Dabei gibt es genug Aufgaben, die getan werden sollten: Kranke besuchen, Alte ausfahren, mit Einsamen reden, Städte und Dörfer von Unrat und Unkraut befreien. Doch diese Arbeiten werden nicht bezahlt, also verrichtet
sie kaum einer. Und die Politik hat versäumt, die Harz-IV-Empfänge zu Gegenleistungen zu verpflichten. Es gibt so viele Kleingärten, die nicht bewirtschaftet werden. Es gibt so viele Chöre (geistliche und weltliche), die kaum
noch singfähig sind. Es gibt so viele Vereine, die über Nachwuchs-Mangel klagen. "Ich dachte, ich arbeitet
vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst . . ."
3. Was macht der Herr, der den Propheten berufen hat? Wie reagiert er auf die Klagen seines Mannes? Fühlt er sich nicht zuständig für ihn? Er, der Herr spricht: "Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und Israel zurück zu bringen. ; ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht . . . (V. 6)" Nicht nur Prediger für sein Volk soll er sein, sondern auch Prediger für die Heiden. Therapie durch Mehrarbeit, könnte man sagen! Ob die Therapie geholfen hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall hören wir nichts von einem vorzeitigen Ende des Propheten. Auf jeden Fall stammen noch sehr schöne Worte von ihm: "Es mögen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen . . . , aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, spricht Gott der Herr, dein Erbarmer . . . (Jesaja 54,10). Und (Jesaja 55,6) "Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; rufet ihn an, solange er nahe ist. Und auf jeden Fall kommen "die Heiden" in den Blickpunkt, zu denen auch wir von Hause aus gehören. Bevor der Erste aus unserer Familie getauft wurde, gehörte er zu den Heiden. Dadurch dass die Heiden Jesus Christus als den Retter und Erlöser angenommen haben, wurde das Christentum zu einer Welt-Religion. "Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all; lobt ihn von Herzensgrunde . . ." werden wir nach der Predigt singen.
Ich will schließen mit einer kleinen Geschichte: Ein berühmtes Kloster war seit einiger Zeit in Schwierigkeiten geraten. Waren die Gebäude früher voller Mönche gewesen, Alte und Junge, Kluge und weniger Kluge, so schleppten sich jetzt nur noch wenige Mönche durch Kirche und Kreuzgang, und sie priesen Gott mit schwerem Herzen. Was sollte werden? Wie sollte ihre Zukunft und die des Klosters aussehen?
In der Nähe des Klosters lebte ein alter Rabbi. Abt und Rabbi waren seit Jahren befreundet, und so ging der Abt eines Tages seinen Freund besuchen. Eine Weile saßen sie schweigend beieinander. Doch dann brach der Abt in Tränen aus und erzählte dem Freund seinen Kummer. "Ihr dient dem Herrn nur mit schwerem Herzen", sagte der Rabbi nach einer weiteren Pause. "Geht miteinander um, als wäre der MESSIAS unter euch. Lobt Gott, als lobte der MESSIAS neben euch!"
Der Abt gab diesen Rat seinen Brüdern weiter. Und so gingen die Mönche seitdem anders miteinander um: liebevoller, herzlicher und voller Ehrfurcht. Und das tat allen gut: ihnen selbst und auch den Besuchern des Klosters.
Vielleicht ist das auch ein Rat an uns. Schaut nicht auf die Zahl. //: Schaut nicht darauf, dass die Abgänge seit Jahren deutlich größer sind als die Zugänge. Seid gewiss, dass der Messias neben Euch und mit Euch singt, betet und Gott lobt! Amen. ://
Autor:Martin Steiger |
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