Fräulein Rosa und Frau Blau
Humor im Krankenhaus: Zwei Klinik-Clowns bringen Leichtigkeit in Patientenzimmer
Von Beatrix Heinrichs
Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum.« – Gedämpft dringt die kleine Melodie durch die Wände. Als der Gesang verklingt, wird eine Tür geöffnet und »Fräulein Rosa« und »Frau Blau« treten in den Flur der Palliativstation des Universitätsklinikums Jena. An ihren Handgelenken baumeln große Taschen, die Petticoats rascheln unter ihren Kleidern. Das Lied habe der Patientin gefallen, sie sei immer gern gewandert, erzählen sie, und ihre glitzerbepuderten Augen umspielt ein Lächeln. Ein Ausdruck, der bleibt. Auch, nachdem der Glitzer verschwunden, die Kostüme in Tüten verstaut und »Fräulein Rosa« und »Frau Blau« wieder Dorothea Kromphardt und Karina Esche sind.
Seit März sind die Frauen auf der Palliativstation im Einsatz. In Jena kennt man sie schon länger: Als die Klinikclowns »Knuddel« und »Flotti Lotti« bringen sie »ein Stück Leichtigkeit in schwere Zimmer«, wie es Dorothea Kromphardt formuliert. Professionelle Clowns gibt es in Kliniken, Kinderkrankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen. Vielerorts können die Einrichtungen die Arbeit der Clowns nicht finanzieren, meist übernehmen das Vereine oder Stiftungen. Das Projekt von »Fräulein Rosa« und »Frau Blau« wird durch die Stiftung »Humor hilft heilen« gefördert, die das therapeutische Lachen an Kliniken etablieren möchte.
Eine rote Nase macht noch keinen Clown. Das nötige Handwerkszeug vermitteln bundesweit zahlreiche Trainer, eine fundierte Ausbildung bieten Tanz-, Schauspiel- oder spezielle Clowns-Schulen. Dorothea Kromphardt und Karina Esche kommt die Erfahrung aus ihrem früheren Berufsleben zugute. Als Schauspielerin hat Dorothea Kromphardt viele Rollen und Bühnen bespielt. Karina Esche verfügt dank ihrer Gesangsausbildung über ein großes Liedrepertoire. Die Frauen arbeiten seit Jahren zusammen und ergänzen sich.
Egal, ob sie tanzen, singen, übers Wandern, Autos oder Relegationsspiele reden, als »Fräulein Rosa« und »Frau Blau« sind sie in erster Linie gute Zuhörerinnen. »Eine Fähigkeit, die man mitbringen sollte«, weiß Karina Esche. »Genau wie Empathie und Fingerspitzengefühl für Menschen und Situationen – und ein Kostüm, das ist der Türöffner.«
Als Vorlage diente den Frauen die Protagonistin aus der Erzählung »Oskar und die Dame in Rosa« des französischen Schriftstellers Éric-Emmanuel Schmitt. So unkonventionell wie die Romanfigur sind auch »Fräulein Rosa« und »Frau Blau«, wenn sie sich aller zwei Wochen auf der Palliativstation ein Stelldichein geben. Es sind keine eingeübten Nummern, die sie spielen. Der Besuch in den Krankenzimmern ist reine Improvisation, die Impulse kommen dabei von den Patienten. »Wir arbeiten viel mit der Vorstellungskraft der Menschen, ihren Erinnerungen, auch mit dem, was das Zimmer uns anbietet – und nicht zu vergessen: mit Humor«, erklärt Dorothea Kromphardt.
Lachen ist gesund, das ist eine alte Volksweisheit. Als medizinisch erwiesen gilt, dass die Glückshormone, die dabei produziert werden, positiv auf Körper und Seele wirken. Das zeigt auch eine tiefenpsychologische Studie des Kölner Rheingold Instituts, die 2012 und 2013 in mehreren deutschen Kliniken durchgeführt wurde. Ein Ergebnis: Die Arbeit der Klinikclowns hilft Patienten, zuversichtlicher und gelöster mit ihrer Krankheit umzugehen.
Begründet liegt die positive Wirkung vielleicht in dem Hauch von Anarchie, der mit den lächelnden Gesichtern in den Krankenzimmern Einzug hält. »Fräulein Rosa« und »Frau Blau« brechen den von routinierten Abläufen bestimmten Klinikalltag spielerisch auf. »Das letzte Mal haben wir mit einer Patientin ausgelassen getanzt. Heute habe ich sie gehalten und wir haben zusammen geweint«, erzählt Karina Esche. »Leichtigkeit und Tiefe im Clownesken zu vereinen«, weiß Dorothea Kromphardt, »sei die eigentliche Kunst.«
Eine Kunst, die den Klinikclowns einiges abverlangt. Das Päckchen, das viele von ihnen mit sich tragen, ist groß und wird mit den Jahren und der Erfahrung oft nicht leichter. Wichtig sei es, die traurigen Augenblicke zuzulassen, da sind sich die Frauen einig. Auch, wenn der Beruf seine schweren Momente hat, tauschen möchten Dorothea Kromphardt und Karina Esche nicht. »Was wir tun, ist für uns eine Herzensarbeit, der schönste Beruf der Welt.«
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