Theologe und Dichter
Herder-Biografie von Marie-Elisabeth Lüdde
Von Dietlind Steinhöfel
Wer durch Weimars Innenstadt bummelt und auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten ist, der kommt an ihm nicht vorbei: Generalsuperintendent Johann Gottfried Herder. Hoch aufgerichtet steht er auf seinem Sockel vor der Stadtkirche St. Peter und Paul, die Weimars Bürger nach seinem Tod 1803 »Herderkirche« nannten. Welchen bedeutenden Einfluss der Theologe, Philosoph und Dichter auf die Literatur der Klassiker hatte, wie er, der feinsinnige Denker, große Geister seiner Zeit prägte, ist vielen kaum bekannt.
Die Theologieprofessorin und Schriftstellerin Marie-Elisabeth Lüdde rückt in ihrer kürzlich erschienenen Biografie diesen bedeutenden Weimarer ins rechte Licht. Sie holt ihn vom Sockel herunter nah an den Leser, beschreibt seinen mit reichlichen Hindernissen bestückten Weg aus armen Verhältnissen zu Anerkennung und gesellschaftlicher Stellung. Mit seiner geradlinigen politischen und gesellschaftlichen Anschauung eckt er oft an. Er liebt Theater und modische Kleidung. Sein großer Halt ist die Liebe zu seiner Frau Karoline, die mit ihm den immerwährenden Kampf um ein auskömmliches Leben bestreitet. Die Autorin vermittelt spannend und detailreich Einblick in die schwierige Freundschaft zu Johann Wolfgang Goethe, in Verbindungen und Freundschaften zu den Größen seiner Zeit, seine Kritik an Immanuel Kant, sein Bestreben um eine moderne Pädagogik. Desgleichen macht sie Exkurse zu bedeutenden Zeitgenossen, die Herder begegneten und beeinflussten.
Herder war ein hervorragender Prediger und Pädagoge. Er scheute sich nicht, gegen den Zeitgeist zu reden, sich dadurch auch Unannehmlichkeiten einzuhandeln; nicht zuletzt den Bruch mit Goethe und den Spott Schillers. Herders Gedanken und Werke, entnimmt der Leser, sind bis heute bedenkenswert. So stellt die Autorin den großen Geist Weimars wieder hinauf auf seinen Sockel, wohin er mit seinen wegweisenden Gedanken gehört, heraus aus dem Schatten der »Dichterfürsten« Goethe und Schiller.
Das Buch enthält zudem im Anhang einen »Spaziergang durch Weimar« auf Herders Spuren mit Stadtplan sowie eine Landkarte mit seinen Europareisen.
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