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Folge 27 – 1976 und 1977
Der Fall Oskar Brüsewitz und eine nicht gedruckte Ausgabe

Von Dietlind Steinhöfel

Anfang des Jahres 1976 wird ein Landesjugendsonntag für den 20. Juni in Eisenach angekündigt unter dem Stichwort: Orientierungen. Die Vorbereitungen werden von der Kirchenzeitung verfolgt, die Programmpunkte veröffentlicht. Im Sommer treffen sich mehr als 6000 Jugendliche aus allen Bezirken Thüringens in Eisenach und feiern ihr großes Fest.
Zwei Monate später erschüttert ein Ereignis die Kirche: Am 18. August zündet sich Oskar Brüsewitz, Pfarrer der Kirchenprovinz Sachsen, vor der Michaeliskirche in Zeitz selbst an und stirbt am 22. August. "Glaube und Heimat" veröffentlicht seinen Lebenslauf, ein Wort an die Gemeinden und berichtet vom Trauergottesdienst.

"Wir haben allen Grund, es tief betroffen zu beklagen, daß in der Gemeinschaft unserer Kirche ein solcher Entschluß, wie ihn unser Bruder für sich gefaßt hat, nicht abgewendet werden konnte",

heißt es in der Trauerpredigt.
Die Konferenz der Kirchenleitungen schreibt nach diesem tragischen Ereignis einen Brief an die Gemeinden, über den auch "Glaube und Heimat" ihre Leser informieren will. Der entsprechende Artikel und eine erläuternde Notiz – geschrieben mit Schreibmaschine – liegen im gebundenen Jahrgang des Archivs zwischen den Nummern 38 und 40, denn die 39 wird aufgrund dieses Beitrags nicht gedruckt. Es heißt, dass sich

"die Drucker weigern würden, solch einen Text zu vervielfältigen."

Der Aufforderung, ihn zu ersetzen, will die Redaktion nicht nachkommen.
Dass das Thema die Christen und die Leitungsgremien noch lange beschäftigt, wird in Nummer 44 deutlich: Die Synode des Kirchenbundes befasst sich mit "innerkirchlichen Fragen", die während der Wochen nach der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz aufgekommen seien. Betont werden Seelsorge, Orientierung am Evangelium und Selbstbestimmung.
Ein wichtiges internationales Signal ist zudem das Schlussdokument der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, das 1975 in Helsinki unterzeichnet wird. Im Staat-Kirche-Gespräch vom April 1976 äußern sich die Kirchenvertreter. Die Kirchen unterstützen dieses Dokument und betonen, dass dessen zehn Prinzipien zum "politischen Moralkodex werden sollten".
In Berichten aus der Welt geht hervor, dass in Namibia die Unterdrückung zunimmt. Nach einer Demonstration gibt es Verhaftungen. Gefängnisstrafen werden verhängt. Zwei Christen werden – ohne echte Beweise – zum Tode verurteilt. Ebenso wird über den Studentenprotest in Johannisburg-Soweto (Südafrika) geschrieben, wo 176 Personen getötet, 1130 verletzt und 900 schwarze Menschen festgenommen werden.
Der Weltkirchenrat gibt eine Stellungnahme ab und fordert die südafrikanische Regierung auf, gerechtfertigte Proteste nicht durch bewaffnete Polizei und Massenverhaftungen zu unterbinden. Die südafrikanische Kirche unterstützt den Protest der Studenten, heißt es in einer Meldung.

Fundstücke
Pfarrer gesucht:
Gemeinden im Thüringer Grenzgebiet suchen Pfarrer. Kaum einer meldet sich freiwillig. Der Hilferuf der Gemeinden: Warum bleiben Pfarrer dort, wo kaum noch kirchliches Leben ist, während sie anderswo dringend benötigt werden? Denn im südlichen Thüringen gäbe es noch lebendiges Gemeindeleben.
Kirchenbau: Über ein Sonderprogramm für kirchliche Bauprojekte sollen 50 Kirchen in Neubaugebieten gebaut werden.
Zitat: Auf der Görlitzer Synode sagt der dortige Bischof Hans-Joachim Fränkel: "Auch in unserer Gesellschaft hat Gott nicht aufgehört, mit uns zu sein (…) Unter der Herrschaft Christi sind wir befreit, je und je zu unterscheiden, wo wir in verantwortlicher Mitarbeit zum Wohle aller unseren Beitrag leisten können und wo wir ideologischen Ansprüchen, die dem Evangelium widersprechen, uns versagen müssen."
Bischofswahl: Auf der Frühjahrssynode 1977 gibt Landesbischof Ingo Braecklein bekannt, dass er zum Jahresende in den Ruhestand gehen möchte. Im Herbst wird Werner Leich zum neuen Thüringer Landesbischof gewählt. Er tritt im Mai 1978 sein Amt an.

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Autor:

Online-Redaktion

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