KZ-Gedenkstätten: Zunahme rechtsextremer Vorfälle
Störung kein Einzelfall

- Das Eingangstor der brandenburgischen KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Zwischen 1936 und 1945 waren im KZ Sachsenhausen mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, darunter politische Gegner des NS-Regimes, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kriegsgefangene und andere NS-Opfer. Zehntausende von ihnen wurden in dem Konzentrationslager ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
- Foto: epd-bild/Christian Ditsch
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Im Jahr 2018 kam eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis der AfD-Bundestagsabgeordneten Alice Weidel in die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Von Teilnehmern dieser Besuchergruppe wurde die Existenz von Gaskammern geleugnet.
Von Thomas Klatt
Es kam im Nachgang zu einem Gerichtsprozess mit einer Verurteilung. „Eine Entschuldigung gab es nicht“, erinnert sich Axel Drecoll, Leiter der Gedenkstätte.
Die Störung blieb kein Einzelfall. Gab es bis 2022 etwa zwölf Fälle pro Jahr, waren es 2024 deutlich über 50 Vorfälle. Darunter sind seit dem Hamas-Massaker auch antisemitisch israelbezogene Vorfälle. Die größten Pro-bleme bereiten aber die Störungen von rechts. Die KZ-Gedenkstätte Sachenhausen bei Oranienburg ist ein offenes Gelände, das ohne Kontrolle betreten werden kann. Die meisten Vorfälle werden somit erst im Nachhinein entdeckt.
Decroll berichtet von Aufklebern aus dem rechtsextremen Spektrum, die sich zunehmend fänden. Pro Jahr gibt es auf dem Gelände für die mehr als eine halbe Million Besucher rund 8000 Führungen. Doch manche Besucher kämen nur, um zu provozieren, sagt Drecoll. "Immer mehr berichteten auch die Gästeführer von Äußerungen in Gruppen, bei denen nicht unbedingt die Verbrechen in Frage gestellt werden. Aber der negative Charakter der Verbrechen wird in Zweifel gezogen“, so Decroll. Die von der Gedenkstätte zertifizierten "Guides" müssten dann selbst entscheiden, ob sie auf solche Provokationen eingehen oder notfalls die Führung abbrechen.
Auch die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora bei Nordhausen meldet einen deutlich erkennbaren Anstieg an Störungen. Wohl auch deswegen, weil der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Jens-Christian Wagner mittlerweile in einem offenen Disput mit der AfD steht. Vor der Landtagswahl in Thüringen versuchte der AfD-Landesverband der Stiftung gerichtlich zu untersagen, etwa in einem offenen Brief auf geschichtsrevisionistische Äußerungen von Parteivertretern hinzuweisen. Schon zuvor hatte der Stiftungs-Direktor Morddrohungen erhalten. Das Verwaltungsgericht Weimar stellte in einem Beschluss vom 5. November 2024 jedoch grundsätzlich fest: Die Stiftung „ist berechtigt, in aktuelle Diskussionen zu den Opfern, derer in den Gedenkstätten der Antragsgegnerin gedacht wird, einzutreten und selbst zu allen Fragen im Zusammenhang mit den Opfern und zu der Gestaltung der Erinnerungsarbeit Stellung zu nehmen.“
Solche direkten Auseinandersetzungen mit der AfD-Landtagsfraktion erlebt Axel Drecoll in Brandenburg derzeit nicht. Aber ihre Gefährlichkeit ist ihm bewusst: „Denn auch die AfD geht mit Begriffen um wie ›Schicksalsgemeinschaft‹ oder ›deutsche Kultur dem deutschen Volk‹. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Erinnerungskultur das diametrale Gegenteil bezwecken muss. Sie muss zeigen, dass diese Homogenitätsvorstellungen nicht nur absurd sind, sondern brandgefährlich.“
Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen macht sich Sorgen, was werden soll, wenn die AfD noch stärker wird oder irgendwann sogar in die Regierung kommt. Dann befürchtet er eine unkritische Deutschtümelei ohne Abstand zum Nationalsozialismus: „Dann gilt: Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen. Die Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes. Wenn man da in die Vergangenheit blickt, kann einem nur angst und bange werden.“


Autor:Online-Redaktion |
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