Friedrich Schorlemmer
Streiter für eine friedlichere Welt
Die Erinnerung an die Friedliche Revolution ist wichtig, weil sie das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung aller Deutschen stärkt, davon war Friedrich Schorlemmer stets überzeugt. Am 16. Mai wird der streitbare, hellsichtige Theologe mit Herz 80 Jahre alt.
Von Bettina Röder
Wir hoffen aber, dass man eines Tages sagen kann: Wir haben den Krieg verloren und können ihn nicht wiederfinden. Wir haben den Frieden gewonnen und wollen ihn nicht verlieren.“ Diese Worte einer großen Sehnsucht nach Frieden sagte Friedrich Schorlemmer, als auf seine Initiative im Herbst 1983 im Lutherhof zu Wittenberg ein Schwert zur Pflugschar geschmiedet wurde.
Diese Sehnsucht war damals in Zeiten der großen Angst vor einem atomaren Erstschlag so aktuell, wie sie auch heute wieder ist. Friedrich Schorlemmers Sohn Martin erinnerte jüngst bei der Verleihung des Preises „Der Friedensstein“ im Gothaer Schlosssaal daran. Sein Vater konnte aus gesundheitlichen Gründen die Auszeichnung für die Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ nicht persönlich entgegennehmen. Am 16. Mai wird der streitbare, hellsichtige Theologe mit Herz 80 Jahre alt.
Mit seiner brillanten, verblüffend einfachen Rhetorik hat er in all den Jahrzehnten die Herzen und Köpfe der Menschen in Ost wie West gleichermaßen erreicht. Doch dabei ist er immer eine unverwechselbare Stimme des Ostens geblieben. Ob bei den wegweisenden Friedenspapieren wie der "Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung" auf der Bundessynode in Halle 1982 oder den „20 Wittenberger Thesen“, bei denen es um die Demokratisierung der DDR ging, und nicht zuletzt bei den Ökumenischen Versammlungen für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung Ende der 1980er-Jahre mit ihren bis heute hochaktuellen Aussagen.
„Wir hoffen aber, dass man eines Tages
sagen kann: Wir haben den Krieg verloren
und können ihn nicht wiederfinden.
Wir haben den Frieden gewonnen und
wollen ihn nicht verlieren“
Nicht nur damit hat Friedrich Schorlemmer wesentlich zur Friedlichen Revolution 1989 beigetragen. Er sei dankbar für eine Kirche, in der ihm „große Verantwortung auferlegt wurde, und die mir stets große Freiheit ließ und lässt“, hat er 1993 in seiner Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gesagt.
Dabei war er überzeugt: Die Erinnerung an die Friedliche Revolution ist wichtig, weil sie das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung aller Deutschen stärkt – die Erinnerung an Bürgermut, Zivilcourage und das gewaltlose Austragen von Konflikten. Das Thema Frieden und Versöhnung zieht sich dabei wie ein roter Faden durch sein Leben. Ebenso wie sein Nachdenken über die Zukunft unserer Welt. Wichtige Impulse dafür bekam er aus der Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr. Er selbst trat nach der Friedlichen Revolution der SPD bei, saß im Wittenberger Stadtrat und engagierte sich im Willy-Brandt-Kreis der Partei.
Zwei Jahre war er alt, als sein Vater im Mai 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam. Und weil der Vater seinen Kindern so fremd war, hätten sie ihn lange Zeit mit „Onkel Vati“ angeredet, was ihn fast verzweifeln ließ, erinnert sich Friedrich Schorlemmer. Seine Kindheit mit fünf Geschwistern war geprägt durch durch die landschaftliche Weite und das offene Dorfpfarrhaus in Herzfelde und später in Werben an der Elbe.
Die Hoffnung, in West-Berlin an der Freien Universität studieren zu können, wird durch den Mauerbau 1961 zunichte gemacht. Er verweigert den Wehrdienst, kann als Pfarrerssohn das Abitur nur auf Umwegen an der Volkshochschule ablegen. In Halle studiert er Evangelische Theologie und geht anschließend als Jugend- und Studentenpfarrer nach Merseburg. 1978 wird er Dozent am Evangelischen Predigerseminar in Wittenberg, wo er auch Prediger an Martin Luthers Schlosskirche wird. Hier lebt er mit seiner Frau Heide und den beiden Kindern Martin und Uta. 1992 wechselt er als Studienleiter an die Evangelische Akademie in der Lutherstadt.
Auch nach seinem Ruhestand 2007 hat er nicht nachgelassen, sich einzumischen, wo Friedlosigkeit, Ungerechtigkeit oder Not und Verzweiflung herrschen. Auch wenn seine Stimme durch seine Krankheit nun fehlt, bleibt, was er in all den Jahren seines Lebens war: ein Streiter für eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt.
Autor:Online-Redaktion |
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