Indien
Mehr Eigenständigkeit für Frauen
Über 2000 Anleger im ostdeutschen Raum unterstützen mit Beteiligungen an der Genossenschaft Oikocredit die Kreditvergabe an wirtschaftlich benachteiligte Menschen im Globalen Süden. Ein Blick auf die Wirkung des Investmentansatzes.
Von Helena Funk
Bunte Hausfassaden. Eine Reihe von kleinen Läden mit je einem Raum. In einem ein Schönheitssalon, daneben eine Metzgerei und schließlich noch eine kleine Schneiderei. Im Straßenbild von Pune, einer für indische Verhältnisse eher kleinen Stadt mit rund 4 Millionen Einwohner, sind die kleinen Läden keine Seltenheit. Von außen ist oft nicht erkennbar, wie diese Läden das Leben ihrer Inhaber verändert haben. Durch die kleinen Geschäfte ermöglichen sich die meist noch jüngeren Unternehmer ein eigenes Einkommen. Dadurch können sie ihren Wohlstand aus eigener Kraft steigern.
In einem dieser Läden treffen wir Supriya Kiran Kale. In ihrer Schneiderei sitzt sie beschäftigt neben zwei weiteren jungen Frauen an ihren Nähmaschinen. Im Hintergrund stapeln sich verschiedene Stoffe, Bordüren und Accessoires. Stolz erzählt sie uns, dass sie dieses Geschäft nun seit sechs Jahren führt. Seitdem wächst Jahr für Jahr nicht nur ihr Kundenstamm, sondern auch das Nähmaterial, was sie im Laden zur Verfügung hat. Möglich war dies durch Kredite, die sie von Oikocredits Partnerorganisation Svasti Microfinance erhielt. Die ökumenische Genossenschaft Oikocredit wiederum bezieht ihr Kapital aus Beteiligungen - wie beispielsweise von über 2000 ostdeutschen Anleger.
Kale nahm 2018 ihren ersten Kleinkredit auf, um den Laden zu eröffnen, zahlte diesen kontinuierlich zurück und nahm dann einen weiteren auf. Als wir im Dezember im Rahmen einer Studienreise von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen von Oikocredit vor Ort waren, erzählte sie uns, dass sie zufällig am Vortag ihren zweiten Kredit zurückgezahlt habe. Dabei huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie berichtete, dass sie dank des geliehenen Geldes die Stoffe und Bänder, die hinten im Laden zu sehen sind, erwarb.
Durch ihr Geschäft konnte Kale nicht nur ihre Lebensbedingungen mit einem steten Einkommen verbessern, sondern ist auch eigenständiger und finanziell erfolgreich geworden. Auf dem Weg dahin wurde sie von Svasti unterstützt. Svasti ist eine lokale Mikrofinanzinstitution, die an Frauen Geld in Form von kleinen Krediten verleiht. Die Kredite haben dabei in der Regel eine Höhe von umgerechnet mehreren hundert Euro bis zu 1300 Euro. Das Wort Svasti bedeutet „Wohlstand“ und „Glück“ auf Deutsch – und beschreibt damit zugleich das Ziel, welches für die Kund*innen erreicht werden soll. Svasti richtet ihr Angebot ausschließlich an Frauengruppen: An sie vergibt Svasti die Kleinkredite – dabei sollen vier der fünf Frauen pro Gruppe das Geld für ihre Geschäftsidee nutzen. Die Frauen können sich in der Gruppe gegenseitig unterstützen und bieten für die Organisation eine Sicherheit, da sie füreinander bürgen. So ist es auch bei Kale – zwei weitere Frauen ihrer Gruppe nähen ebenfalls, eine betreibt den Schönheitssalon nebenan und die fünfte nutzt das Geld für eine Ausbildung.
Zurück im Laden von Kale springt eine Sache vorne auf der Ladentheke direkt ins Auge. Ein Schild mit einem QR-Code. Kund*innen können darüber ihre Ware bezahlen. Ein System, das in Indien weit verbreitet ist. Digital läuft nun die Zahlung ab, welche über das Mobiltelefon getätigt wird. Ohne Bankkarte, ohne Bargeld.
Auch diese Innovation trägt zur finanziellen Teilhabe von allen Bevölkerungsschichten bei.
Während bei uns in Deutschland 1958 ein Durchbruch zum inklusiven Finanzwesen war, dass Frauen auch ohne die Erlaubnis ihres Mannes ein Konto eröffnen durften, ist es in Indien das Smartphone. Es verschafft auch marginalisierten Menschen Zugang zu einer digitalen Geldbörse. Doch dass Interessent*innen somit auch einen Kredit bekommen, ist in Indien nicht selbstverständlich. Häufig werden Sicherheiten gefordert, womit wirtschaftlich benachteiligte Menschen vom Finanzdienstleistungen ausgeschlossen werden.
Nach wie vor ist es in vielen Teilen der Erde – insbesondere in Ländern des Globalen Südens – nicht allen Menschen möglich, Geld über Banken oder Finanzinstitutionen zu leihen oder anzusparen. Besonders Frauen haben es dabei oft schwer. Daher unterstützen Mikrofinanzinstitutionen wie Svasti Frauen dabei, ihre Visionen zu verwirklichen und wirtschaftlich eigenständiger zu werden. Hinter der lokalen Mikrokreditorganisation Svasti steht auch Oikocredit – in Partnerorganisationen wie sie fließt unter anderem das Geld der Anleger des Ostdeutschen Förderkreises.
Die Mitglieder im Osten Deutschlands fördern damit indirekt nicht nur Menschen wie Kale, sondern unterstützen auch die Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit für globale Gerechtigkeit in der Region. Dabei treten sie in die Fußstapfen einer Initiative junger engagierter Christen auf der Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates 1968 in Uppsala. Diese forderten, dass stärker Einfluss darauf genommen wird, wohin kirchliche Investitionen fließen und beispielsweise Menschen direkt zu Gute kommen, damit diese sich selbst eine wirtschaftliche Gleichberechtigung erreichen können.
Die Autorin ist Referentin für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit beim Verein Oikocredit Ostdeutscher Förderkreis.
Autor:Online-Redaktion |
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