Rezension
Hitler-Darstellungen: Kirchenkunst als Grenzüberschreitung
Der Historiker und Journalist Michael Kuderna setzt sich in einem Buch mit 17 echten und vermeintlichen Darstellungen von Adolf Hitler in Kirchen auseinander.
Von Marc Patzwald
«Die interessantesten Darstellungen sind die, die vor 1945 entstanden oder angeblich entstanden sind», sagte der Autor des Buchs «Grenzüberschreitungen. Ein deutsch-französischer Architekt, sein Meisterwerk und Hitler-Bilder in Kirchen». Laut Kuderna gibt es anbiedernde Darstellungen, die mittlerweile meist entfernt wurden. So habe er bei seinen Recherchen ein Foto erhalten, das ein Kirchenfenster mit Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg unter dem Hakenkreuz zeigt.
Hitler komme vereinzelt aber auch als «teuflischer Verführer von Jesus vor» und bei einigen Bildern sei unklar, ob er es tatsächlich ist. Kunstgeschichtliche, physiognomische Fragen und vor allem die Lokalgeschichte würden dann helfen, um Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln. «Ein Fall ist dabei besonders ärgerlich: Da wird touristisch damit geworben, dass Hitler in einem Deckengemälde vorkomme», sagt der Journalist. «Er ist es aber nicht. Das Schlimmere ist, dass dabei völlig verschwiegen wird, welcher Antisemitismus mit dem Bildprogramm und der Darstellung von Juden dort eigentlich ausgedrückt wird.»
Ausgangspunkt für seine Recherchen war die in den 60er-Jahren gebaute Kirche Sainte-Thérèse im lothringischen Vasperviller. Dort greifen laut Kuderna die Fenster von Gabriele Kütemeyer Themen aus dem Alten Testament auf – darunter auch die biblische Geschichte von Rahel, die die Götzenidole ihres Vaters stiehlt. «Einem der Idole hat sie die Gesichtszüge von Hitler verliehen», erklärte er. Daraufhin habe er über soziale Netzwerke, Tipps und systematische Recherchen in Ausstellungskatalogen und Büchern eine Übersicht über Hitler-Darstellungen zusammengetragen.
«Je mehr die Kriegserfahrungen zurückliegen, desto mehr wird historisiert»
«Im Mittelalter war es normal, zeitgeschichtliche Menschen wie die Stifter oder die Künstler selbst darzustellen. Auch Bösewichte kamen vor», erläuterte Kuderna. «In den letzten Jahrhunderten ist das völlig aus der Mode geraten.» Obwohl die NS-Zeit mittlerweile so lange her sei, würden Hitler-Darstellungen immer noch als eine Art Sensation oder Tabubruch wahrgenommen. Neonazis nutzten manche Bilder als eine Art Pilgerstätte, andere Darstellungen müssten wiederum vor Zerstörung geschützt werden.
Nach 1945 sei es kein großes Wagnis mehr gewesen, Hitler zu malen, betonte Kuderna. Anfänglich sei er noch als Folterknecht oder Teufel aufgetaucht. «Je mehr die Kriegserfahrungen zurückliegen, desto mehr wird historisiert», so der Historiker. «Er kommt dann als ein Bösewicht unter vielen vor.» So tauche er in der letzten bekannten Darstellung klein in einer Narrenschau auf, in der auch der frühere US-Präsident Donald Trump zu finden ist.
(epd)
Kuderna, Michael: Grenzüberschreitungen. Ein deutsch-französischer Architekt, sein Meisterwerk und Hitler-Bilder in Kirchen, Geistkirch Verlag, 440 S., ISBN 978-3-946036-31-9; 29,80 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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