Rezension
Mit Leidenschaft ins „gelobte Land“
Das unbekannte Oratorium „Mose“ des Komponisten Adolf Bernhard Marx ist die Entdeckung großartiger Musik. Marx wirkte als Musiktheoretiker und Herausgeber der von ihm 1824 begründeten „Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung“. Er verfasste musikalische Aufsätze und auch die erste Biografie Beethovens. Dass die Wiederaufführung von Bachs Matthäus-Passion unter der Leitung Mendelssohns 1829 einen so großen Erfolg erlangte, ist nicht zuletzt seiner Initiative zu verdanken, es in „seiner“ Zeitung zu besprechen und zu verbreiten.
Von Jörg Reddin
Der „Mose“ wurde 1841 uraufgeführt. Dieser Uraufführung folgten mehrere Aufführungen in den darauffolgenden Jahren. Marx bewies bei der Komposition dieses Werkes Mut und Selbstbewusstsein. Es gelang ihm damit eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung des Oratoriums. Etwas Neues wollte er schaffen in diesem Genre. Und tatsächlich zeigt er mit diesem Werk eine ungeheure kompositorische Experimentierfreude, gepaart mit großer Dichte an dramatischen und harmonischen Wendungen und einer Vielfältigkeit der Ausdrucksmittel auf kleinstem Raum. Das Oratorium ist dreiteilig, wobei die einzelnen Teile durchkomponiert sind. Chöre, Arien und Rezitative gehen ineinander über.
Adolf Bernhard Marx gelingt es, wunderbare musikalische Bilder zu zeichnen, die den biblischen Bericht veranschaulichen. So zum Beispiel am Ende des ersten Teils. Es ist die Szene, in der Gott Mose im brennenden Dornbusch erscheint und ihm den Auftrag gibt, das Volk Israel aus Ägypten zu führen. Mehrmals ist dort das „Parsifal“-Motiv zu hören, welches Richard Wagner, der dieses Werk sehr schätzte, gut 40 Jahre später selbst verwendet. Ein ähnlich beeindruckendes und spannendes Klanggemälde ist an der Stelle, als Mose und Aaron den Pharao auffordern, das Volk ziehen zu lassen. Der Pharao aber entgegnet, dass er ihren Gott nicht kenne und sie gefälligst ihre Arbeit tun mögen.
Unter der Leitung von GewandhausChor-Chef Gregor Meyer haben der GewandhausChor Leipzig, acht Solisten und – auf historischen Instrumenten – die Camerata Lipsiensis dieses Oratorium von Marx als Konzertmitschnitt auf CD eingespielt. Die Herausforderungen, die Marx technisch und konditionell an den Chor stellt, nimmt der GewandhausChor mit scheinbar großer Leichtigkeit. Im Ausdruck beeindruckt er durch eine große Bandbreite, spricht deutlich, intoniert sauber und hat vor allem einen wunderschönen freien Klang.
Die Solisten sind allesamt tief in ihren Rollen verwurzelt und fesseln den Zuhörer durch große Variabilität in Klang und Ausdruck. Die Camerata Lipsiensis trägt entscheidend dazu bei, dass die wunderschönen musikalischen Bilder kräftige Konturen bekommen und ist dabei immer flexibel in den Tempo-, Klang- und Ausdruckswechseln.
Eine tiefe Verneigung verdient insbesondere der Leiter der Aufführung, Gregor Meyer, der alle Beteiligten durch dieses Werk mit großer Sicherheit und Leidenschaft ins „gelobte Land“ führt.
Marx, Adolph Bernhard: „Mose“, Oratorium in drei Teilen nach Worten aus der Heiligen Schrift für Soli, Chor und Orchester (GewandhausChor Leipzig, Camerata Lipsiensis), CPO (2 CDs); 29,99 Euro
jpc.de
Autor:Online-Redaktion |
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