Predigttext
Gottes Liebe befreit
Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.1. Johannes 4, Vers 11
Immer wieder ploppt eine Diskussion um die Blasen auf – jene selbstreferenziellen Mini-Universen, in denen sich so viele Zeitgenossen heute mehr oder weniger einrichten.
Von Joachim Süss
Wenn nach Erklärungen für merkwürdige Weltanschauungen oder gefährliche gesellschaftliche Entwicklungen gesucht wird, dann, so heißt es, läge dies daran, dass innerhalb einer Blase nur noch Gleichgesinnte miteinander kommunizierten und Menschen mit anderen Ansichten nicht mehr zuhörten, ja sie zu Feinden erklärten.
Natürlich ist da etwas dran, das Internet mit seinen immens gesteigerten Kommunikationsmöglichkeiten leistet einer Parzellierung von Weltanschauungen kräftig Vorschub und liefert auch dem selbsternannten Wutbürgertum in seinen Digitalblasen permanent Nahrung.
Eine neue Entwicklung, gar der Anfang vom Niedergang unserer Kultur? Schon Martin Luther diagnostizierte den homo in se incurvatus, den in sich selbst verkrümmten, nur auf sich selbst bezogenen Menschen. Dieser Mensch ist unfähig zu lieben, weil er seinem Wesen nach ein unerlöster Sünder ist. In einer Blase zu leben, ist also nichts Neues. Mehr noch: es ist Ausdruck der conditio humana. Schon der Fötus wächst ja in der kleinen Blase des mütterlichen Uterus heran, in der vollkommenen Geborgenheit seiner eng umgrenzten Welt. Auch Familien und Freundeskreise gewinnen ihre Identität in der Regel aus einer Abgrenzung derer, die dazu gehören und jener, die das nicht tun.
Aber die Liebe, die von Gott kommt, lässt die Blasen platzen. Nicht Ausgrenzung, sondern Akzeptanz und Einstehen füreinander sollen das Miteinander in der christlichen Gemeinde bestimmen. Hier ist jeder willkommen. Gott hat seinen Sohn gesandt, um den Menschen aus seiner blasierten Selbstfixierung herauszulösen, die der Schreiber des 1. Johannesbriefes Sünde nennt. Das Kommen Christi wirkt wie eine Nadel, die die Blase aufsticht: augenblicklich wird sie zu nichts und verschwindet.
Derart befreit, tritt der Mensch in den grenzenlosen Möglichkeitsraum der Liebe ein, die Gott ist. Und wird zu einer Lebensführung fähig, die nicht mehr auf ängstlicher Abgrenzung beruht, sondern auch seinen Nächsten als geliebtes Kind Gottes begreift und danach handelt. Selbst wenn dieser so ganz anders denkt und lebt als er.
Der Autor ist Pfarrer im Pfarrbereich Schloßvippach-Udestedt.
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.