Nicaragua: Gefängnis, Verbote, Ausweisung
Kreuzzug gegen Kirche
Die Kampfansage Daniel Ortegas hätte kaum deutlicher sein können: «Die Bischöfe, die Pfarrer, die Päpste sind eine Mafia», erklärte der Präsident Nicaraguas jüngst im staatlichen Fernsehen. Solche Angriffe sind nicht ganz neu. Doch in den vergangenen Monaten hat Ortegas Kreuzzug gegen die Kirche einen Höhepunkt erreicht.
Von Wolf-Dieter Vogel
Das Außenministerium ließ mitteilen, man erwäge, die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abzubrechen. Zuvor ließ die Regierung die Prozessionen der Karwoche verbieten. Im Februar wurde Bischof Rolando Álvarez zu einer Gefängnisstrafe von über 26 Jahren verurteilt, fünf Pfarrer erhielten zehnjährige Haftstrafen. «Religionsfreiheit spielt in dem Land keine Rolle mehr», sagte Bischof Bertram Meier, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.
Dabei verdankt der autoritär regierende Ortega sein Amt auch den Kirchenoberen. Der Politiker der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) schloss vor den Wahlen von 2006 eine Allianz mit der katholischen Hierarchie. Er sowie seine Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo zeigten sich christlich und sprachen sich für das Abtreibungsverbot aus. Im Gegenzug unterstützen hochrangige Kirchenvertreter den FSLN-Kandidaten. Ortega gewann und ist seither an der Macht.
Doch 2018 war es vorbei mit der Kirchennähe. Studenten, Bauern, Indigene und oppositionelle Politiker gingen damals gegen das Regime auf die Straße. Sie demonstrierten, bauten Barrikaden, legten das alltägliche Leben lahm. Die Regierung reagierte mit brutaler Gewalt. Mindestens 350 Menschen starben, Tausende wurden verletzt, Hunderte verhaftet und gefoltert.
«Viele Pfarrer und Bischöfe haben damals die Pforten geöffnet, Demonstranten geschützt und Verletzte versorgt», erklärt Bischof Meier. Damit begann der Bruch der Regierung mit der katholischen Kirche. Auch eine Vermittlung der Geistlichen in dem Konflikt lehnte Ortega ab. Die Bischöfe seien nicht neutral. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung in Nicaragua bekennt sich zum Christentum, rund die Hälfte ist katholisch, ein Drittel gehört evangelikalen Gemeinschaften an.
Seit den Protesten verfolgt das Regime alle, die das autoritäre Vorgehen kritisieren. Über 3100 Organisationen der Zivilgesellschaft wurden verboten, Journalisten kriminalisiert, Regimekritiker ausgebürgert. Dass auch Geistliche ins Fadenkreuz geraten, verwundert Mónica Baltodano nicht. «Die Kirchen schaffen über die Kanzel und Sonntagspredigten einen unabhängigen Raum, die Leute hören dort eine andere, regimekritische Stimme», erklärt die Oppositionelle, die in den 1970er-Jahren bei den Sandinisten mit Ortega gegen die Diktatur gekämpft hat. Das sei für das Regime völlig inakzeptabel. «Sie wollen jede dissidente Stimme zum Schweigen bringen», sagte sie in ihrem Exil in Costa Rica.
Doch die Verfolgung von Gläubigen trifft nicht nur Kritiker. 2022 wurden 18 Schwestern des Mutter-Teresa-Ordens aus dem Land gewiesen. Der Vorwurf: Finanzierung des Terrorismus und Geldwäsche. Sie hatten zuvor 35 Jahre lang Altenheime betrieben, Arme mit Essen versorgt und Kindern beim Lernen geholfen.
Wie rund 200 000 Einwohner Nicaraguas sind auch sie ins Nachbarland Costa Rica geflüchtet. Und wie viele der Exilierten möchten sie nicht öffentlich über ihr Schicksal sprechen. Nicht wenige haben Angst, dass ihre im Land verbliebenen Angehörigen Repressalien erleiden könnten. Bischof Álvarez sollte zusammen mit 222 politischen Gefangenen in die USA abgeschoben werden. Weil er sich weigerte, wurde er wegen Vaterlandsverrats, Beeinträchtigung der nationalen Integrität und Verbreitung von Falschmeldungen zu der langjährigen Haftstrafe verurteilt. Ein rechtsstaatlicher Prozess hat nicht stattgefunden.
Nicht zuletzt das Urteil gegen Álvarez führte Papst Franziskus dazu, das Regime als Diktatur zu bezeichnen. Bereits zuvor ließ der Präsident wissen, er glaube weder an Päpste noch an Könige. Dennoch sei er religiös. «Dank Christus bin ich Revolutionär», sagte er.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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