Predigttext
Wunderbares geschieht
Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, …; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.Markus 4, Verse 26+27
Spätsommer im Westjordanland. Ich sitze bei Miss Aida im Wohnzimmer, sie unterrichtet die deutschen FSJlerinnen in der arabischen Sprache. Wir üben die Begrüßung, wir stellen uns vor: Ich komme aus Deutschland, ich möchte einen Kaffee, wo ist die Bushaltestelle?
Von Henrike Kant
Mein Kopf raucht, und mein Hals kratzt. Wie soll ich das nur jemals lernen? Ich habe keinen Durchblick, diese Sprache ist so anders. Abends nehme ich das Vokabelheft mit aufs Dach. Von dort sehe ich den Checkpoint, einen Grenzpunkt zwischen Israel und Palästina. Nicht jeder kommt durch, ich beobachte, wie einzelne Passagiere resigniert aus dem Bus steigen und zu Fuß den Rückweg antreten. Alltag im Westjordanland. Wenige Tage später stehe ich das erste Mal in einer arabischen Klasse. Meine Sprechversuche werden wohlwollend zur Kenntnis genommen; es ist gar nicht schlimm, dass ich die Unterschiede zwischen dem gehauchten, gekratzten und gehechelten „h“ noch immer nicht begreife.
Schneller begreife ich dagegen, was die Schüler hier lernen. Sie lernen vor allem, einander zu achten. Gemeinschaft zu leben trotz aller Unterschiede. Mädchen und Jungen lernen miteinander, christliche und muslimische Kinder aus ärmeren oder reicheren Familien. In Schuluniformen teilen sie auf dem Schulhof ihr Pausenbrot und laufen nachmittags gemeinsam nach Hause. Ganz nebenbei, ohne dass es ihnen erklärt werden müsste, lernen sie hier: Mein Gegenüber hat ein Recht auf seine Art zu glauben und zu leben. Genauso wie ich, meine Familie, meine Nachbarn. Wir haben die gleiche Würde.
Wo Menschen einander frei und offen begegnen können, passiert manchmal Wunderbares: Aus der Krabbelgruppe heraus entsteht eine lebenslange Freundschaft. Im Konfitreff finden sich zwei, die sonst überall anecken. Beim Kirchencafé werden mit der Tasse Kaffee auch Lebensgeschichten geteilt. Manchmal ist es ausreichend, Raum zu geben, in dem Gott wirken kann. Den Samen zu streuen und darauf zu vertrauen, dass er Frucht bringen wird. Ein Jahr lang habe ich mich in Palästina schlafen gelegt und bin wieder aufgestanden. Dann konnte ich schließlich die „h“ auseinanderhalten. Auch das kam wie von selbst.
Autor:Online-Redaktion |
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