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Kommentar
Das geht zu weit

Foto: Ulrich Kasparick

Herr Dr. Gysi soll auf Einladung der Philharmonie Leipzig am 9. Oktober in der Peterskirche Leipzig die Festrede halten, lesen meine alten Augen in der Leipziger Volkszeitung.
Keine Ahnung, wer von der Philharmonie Gysi eingeladen hat, historische Sachkenntnis jedenfalls kann er nicht haben.
Denn

Herr Gysi hat mit der Friedlichen Revolution ungefähr so viel zu tun wie ein Teppichhändler mit der Raumfahrt

– nämlich gar nichts. Gysi war aktiver Systemträger in der DDR, keineswegs ein Oppositioneller. Er ist Repräsentant einer Partei, deren Staat wir Bürgerrechtler aktiv bekämpft haben. Und deshalb ist es eine Ungeheuerlichkeit in den Augen vieler ehemaliger Bürgerrechtler, wenn ausgerechnet zu diesem Datum ausgerechnet in Leipzig ausgerechnet an einem Ort, den die DDR-Regierung abreißen ließ, ein Repräsentant des alten Systems reden soll und nicht ein Bürgerrechtler.
So geht das nicht mit der deutschen Geschichte.
So vergesslich darf man nicht sein.
„Die Stadt tut sich damit keinen Gefallen“ sagte mir mein alter Weggefährte Markus Meckel zum Sachverhalt und Stephan Hilsberg, ebenfalls langjähriger Wegbegleiter: „Du hast Recht, das kann man so nicht durchgehen lassen.“ Auch aus Thüringen kommen entsetzte Stimmen.
Jürgen, hörst du das? Mein lieber Jürgen Fuchs, hast du das mitgekriegt? Der Gregor Gysi soll in Leipzig die Festrede zu 30 Jahren Friedliche Revolution halten?
Da rumpelt er in seinem Grabe, der gute Jürgen.
Das geht dann ja doch vielleicht ein wenig gar zu weit. Das findet nicht nur er. Das finde ich auch.
Was sagen eigentlich Freya Klier und Katja Havemann zu dem Vorgang?
Mir ist auch, als wolle Wolf Biermann gleich wieder zur Gitarre greifen und ein fröhlich Liedlein anstimmen.
Nein, diese Einladung ist das glatte Gegenteil der Würdigung der Leistung der Bürgerrechtler, die die DDR niedergerungen haben.
Liebe Leipziger, vielleicht schlafen Sie ja nochmal über diese Sache.
Wenn Sie alleine nicht weiterkommen, nehmen Sie doch einfach die Sachkenntnis der Stiftung Aufarbeitung des DDR Unrechts zu Hilfe. Wir haben diese Stiftung nämlich vor einigen Jahren vom Deutschen Bundestag aus mit kluger Absicht eingerichtet, weil wir verhindern wollten, dass die Menschen vergesslich werden.
Und wenn Sie das alles getan haben, dann lassen Sie zum Jubiläum vielleicht eine oder einen Bürgerrechtler sprechen, der wirklich beteiligt war am Ende der DDR, ein paar davon leben ja noch.

Der Gastautor ist Pfarrer, Bürgerrechtler und ehemaliger Politiker.
https://ulrichkasparick.wordpress.com

Autor:

Online-Redaktion

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