Joachim Gauck wird 85
Elder Statesman par excellence
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- Foto: epd-bild/Rolf Zöllner
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Er spricht zum Jahrestag der friedlichen Revolution und hält Lobreden auf den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk oder die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer: Mit Mitte 80 ist Ex-Bundespräsident Joachim Gauck weiterhin öffentlich sehr präsent. Seine Termindichte mag etwas kleiner sein als in seiner Amtszeit, doch als Elder Statesman mischt Gauck sich in viele Themen ein. Am Freitag feiert er seinen 85. Geburtstag.
Von Alexander Riedel und Christoph Scholz (KNA)
Auch als Altbundespräsident scheut Gauck keine Kontroverse. So fordert er immer wieder ein entschlosseneres Vorgehen gegen ungeordnete Zuwanderung - nicht ohne zugleich daran zu erinnern, dass Deutschland Zuwanderung für wirtschaftliche Stabilität brauche. Vor allem von der Union erwartet er, dass sie Angebote für konservative Wähler mache, um diese nicht in die Arme der AfD zu treiben. "Was wir jetzt von den konservativen Parteien brauchen, ist Realismus, nicht aber Ressentiment und Fremdenfeindlichkeit", sagte er etwa im Oktober in einem Interview.
Eigenes Toleranz-Buch
Gauck warnte zuvor bereits vor einem neuen Nationalismus, warb aber zugleich für eine "erweiterte Toleranz in Richtung rechts". Man müsse zwischen rechts im Sinne von konservativ und im Sinne von rechtsextremistisch oder rechtsradikal unterscheiden, sagte er. Dem Thema Toleranz widmete der Altbundespräsident ein eigenes Buch mit dem Untertitel: "Einfach schwer". In der Corona-Pandemie sprach er sich für eine Impfpflicht aus, da diese seiner Meinung nach nur einen geringen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte darstellte.
Auch auf sich selbst bezogen geizt Gauck selten mit Worten und Zuschreibungen. Im Februar 2024 begann er eine Rede wie folgt: "Ich bin parteiloser Rentner und Wechselwähler." Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes bekannte er dann, stolz auf Deutschland und ein Patriot zu sein. Gerne beruft sich Gauck auch auf den Citoyen, jene französische Bezeichnung für den aufgeklärten Staatsbürger, der aktiv und eigenverantwortlich das Gemeinwesen mitgestaltet.
Lebensthema Freiheit
Mit seinem Lebensthema der Freiheit verbindet Gauck seine persönliche Erfahrung in der DDR. Bis zur Wende arbeitete er viele Jahre als Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs. 1989 gehörte er dann zu den Mitinitiatoren des kirchlichen und öffentlichen Widerstands gegen die SED-Diktatur. Nach der Deutschen Einheit wird er Beauftragter für die Stasi-Unterlagen - im Volksmund die "Gauck-Behörde".
Seinen sensiblen Blick für alle Opfer von Diktatur und Gewaltherrschaft hat Gauck sich bis heute bewahrt. Das zeigt sich auch in seiner Haltung gegenüber Russland und Putin-Verstehern in Deutschland. Aus Fehlern der deutschen Politik im Umgang mit Russland leitet er ab, dass Deutschland mit den Ukrainern jene unterstützen müsse, die bereit seien, ihre Freiheit zu verteidigen. Schon als Bundespräsident hatte Gauck vor der "autoritären Herrschaft in Moskau" gewarnt.
Stilsicheres Auftreten und rhetorisches Talent
Unter den bisher zwölf Bundespräsidenten gehörte Gauck zu den politischeren. Sein stilsicheres Auftreten und rhetorisches Talent erlaubten dem früheren evangelischen Pfarrer auch als Staatsoberhaupt kontroverse Einlassungen. Für viele Beobachter erwies sich der elfte Bundespräsident als Glücksfall - vielleicht auch, weil er keine Erfahrung als Berufspolitiker hatte. 2017 schied er - auch mit Blick auf sein Alter - selbst gewählt nach einer Amtszeit aus dem Amt.
Seinen christlichen Glauben hat Gauck als Bundespräsident nie verborgen, das offene Bekenntnis aber hinter dem Amt zurückgenommen. Die Überzeugung, dass der Glaube eine Haltung stärke, auf die eine freiheitliche Demokratie angewiesen sei, bekannte er in seiner Abschiedsrede als Bundespräsident: "Was wir allerdings ganz besonders brauchen, ist wirksame Prävention durch politische, kulturelle und religiöse Bildung, so dass Menschen gar nicht erst in den Bann von Extremisten gleich welcher Couleur geraten."
Rekordhalter im Bundestag
Mit einem weniger bekannten Detail seiner politischen Laufbahn geht Joachim Gauck unterdessen bislang ebenfalls in die Annalen der Bundesrepublik Deutschland ein: Er hält den Rekord für die kürzeste Mitgliedschaft im Bundestag. Am 3. Oktober 1990 wurde er Teil des Parlaments, einen Tag später, am 4. Oktober, legte er sein Mandat bereits wieder nieder, um Beauftragter für die Stasi-Unterlagen zu werden.
Autor:Online-Redaktion |
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