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Video: Stabkirche Stiege
"Ich kann kaum glauben, dass wir das geschafft haben"

Foto: epd-bild/Jens Schulze
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Dass eine ganze Kirche umzieht, kommt ziemlich selten vor. Im Oberharz ist so eine Aktion gelungen. Mit viel Elan haben Bürger eine Stabkirche vor dem Verfall gerettet und mitten im Dorf wieder aufgebaut. Das wird nun gefeiert, drei Tage lang.

Von Julia Pennigsdorf 

Die ältere Dame ist voll des Lobes. „Ich bin wirklich beeindruckt“, sagt Wallburg Anlauf und betrachtet wohlwollend die Kirche, die seit kurzem fertig saniert an ihrem neuen Standort am Bahnhof von Stiege im Oberharz steht - und deren zimtbraune Holzbohlen an diesem klaren Frühlingstag in der Sonne glänzen. Sie habe dem Umzug der Stabkirche Stiege zunächst skeptisch gegenübergestanden, räumt die 74-Jährige ein, die in Stiege geboren wurde. Wie zahlreiche Bürger habe auch sie sich gefragt, ob das Geld nicht anderswo besser eingesetzt wäre - zum Beispiel im Straßenbau: „Aber jetzt bin ich froh, dass wir die Kirche hier bei uns haben. Ich bin begeistert, was Ehrenamt, Fleiß und Engagement ermöglichen.“

Stolze 1,3 Millionen Euro hat der vor acht Jahren gegründete und heute mehr als 170 Mitglieder zählende Verein „Stabkirche Stiege“ eingeworben, um die Holzkapelle mit den charakteristischen Drachenköpfen vor Vandalismus und Verfall zu retten und aus einem Waldstück ins sechs Kilometer entfernte Dorfzentrum zu versetzen. Vor einem Jahr begann der fachmännische Abbau. Damals stand die 1905 eingeweihte Kirche noch auf einer einsamen Lichtung im Dreiländereck von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf dem inzwischen verfallenen Gelände der nunmehr seit 30 Jahren geschlossenen Lungenheilanstalt „Albrechtshaus“.
Auf Sommerfesten und Weihnachtsmärkten haben die Bürger gesammelt und etliche Lesungen, Konzerte, Ausstellungen zugunsten der norwegischen Drachenkirche organisiert. Der Durchbruch kam 2020: eine Förderzusage des Bundes über 300.000 Euro vom Denkmalprogramm „National wertvolle Kulturdenkmäler“, dazu Förderungen vom Land Sachsen-Anhalt sowie von Unternehmen und Stiftungen. „Ich kann kaum glauben, dass wir das geschafft haben“, sagt die stellvertretende Vereinsvorsitzende Monika Uecker glücklich.

Doch so ist es. Die Tischler, Zimmerer und Restauratoren der Werkstätten für Denkmalpflege im nahen Quedlinburg haben das 1.000 Einwohner zählende Dörfchen Stiege wieder verlassen, der Rasen ist eingesät, die Stauden für einen bienenfreundlichen Kirchgarten sind gesetzt. Sogar Picknickbänke stehen bereit.
Ab Freitag (20. Mai) wird nun gefeiert - drei Tage lang. Zunächst werden Politiker, Stiftungsvertreter und die am Bau beteiligten Handwerker und Planer erwartet, am Samstag und Sonntag dann nehmen die Bürger ihre Kirche in Besitz. Es gibt eine Tombola, Führungen, Kaffee und Kuchen. Und am Samstag (21. Mai) feiert Pfarrer Karsten Höpting, seit vier Jahren zuständig für Stiege, die erste Andacht am neuen Standort.

Die Stabkirche ist keine Kirche im konfessionellen Sinne, sie soll künftig vor allem ein Ort für Kunst und Kultur sein. Doch Höpting sieht darin keine Konkurrenz. Es freue ihn, dass in einer strukturschwachen Gegend, in der weniger als ein Drittel der Menschen Kirchenmitglieder sind, so viel Engagement aufgebracht wurde, sagt der 40-jährige: „Was hier geschehen ist, der Zusammenhalt, die Kreativität, das Engagement der verschiedenster Menschen für ein Ziel: Das ist für mich Kirche. Es zeigt die Bedeutung von Kirche auch außerhalb von Kirchenzugehörigkeit.“

Der evangelische Pfarrer und die Bürger sind sich einig: Obwohl die Stabkirche künftig in erster Linie als Event-Location dienen soll, werden auf Anfrage auch Andachten, Trauungen oder Taufen möglich sein. „Wir haben ja auch noch unsere andere Kirche in Stiege“, sagt Höpting. Die solle schon die Hauptadresse für kirchliche Feiern bleiben: „Aber klar, wenn jemand eine besondere Verbindung zur Stabkirche hat, dann werde ich auch dort trauen oder taufen.“

Auch Cosima Pilz sieht das so, Vereinsmitglied der ersten Stunde und heute Sprecherin der Initiative. Weltliche und kirchliche Nutzungen könnten sich im Alltag gut ergänzen. „Wir wollen Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Kunstauktionen veranstalten“, sagt die 56-Jährige, die bis zur Schließung 1993 im „Albrechtshaus“ arbeitete. Ihr sei es wichtig, dass in der Kirche auch gebetet werden könne. „Wir dürfen nicht vergessen: Viele Menschen haben über die Jahrzehnte in der Stabkirche Abschied von Angehörigen genommen, die in der Lungenheilanstalt starben.“

Wallburg Anlauf verweilt mit ihrem Mann Harro noch immer vor der Stabkirche, die nur wenige Schritte von ihrem Haus entfernt liegt. Sie hat sich überzeugen lassen - jetzt, wenige Tage vor der offiziellen Feier, wolle sie doch in den Verein „Stabkirche Stiege“ eintreten, sagt sie. Schließlich sei die Arbeit mit dem Umzug nicht erledigt. Jetzt gelte es, die Kirche mit Leben zu füllen, ein attraktives Programm auf die Beine zu stellen und Touristen anzulocken: „Da sind wir jetzt alle gefragt.“

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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