Kommentiert
Kirchentag weichgespült
Der Kirchentag lebt seit je von Kontroversen.
Von Willi Wild
Es ging um Wiederbewaffnung oder die Sonntagsruhe. Schon 1975 wurde vor einer fortschreitenden Umweltzerstörung gewarnt. Reformtheologin Dorothee Sölle propagierte die "marxistische Kirche". Daraufhin organisierten konservative Kreise den "Gemeindetag unter dem Wort" als Gegenveranstaltung. Chancen und Risiken der Gentechnik wurden thematisiert und die Debatte über die Liturgie eines gemeinsamen Feierabendmahls von Protestanten und Katholiken geführt.
Ganz zu schweigen von den Kirchentagen 1981 in Hamburg und 1983 in Hannover, die zu Manifestationen gegen den Krieg wurden. Zehntausende lila Tücher und das Motto: "Die Zeit ist da für ein Nein ohne jedes Ja zu Massenvernichtungswaffen". Das Pendant gab es 1983 beim DDR-Kirchentag in Wittenberg mit der pazifistischen Schmiedeaktion "Schwerter zu Pflugscharen".
Und heute scheint der Kirchentag Angst vor der eigenen Courage zu haben. Ein weichgespültes Programm, das keinem wehtun will. Das fröhliche Fest des Glaubens mutiert zur banalen Folkloreveranstaltung. Kritische Gruppen werden ausgeladen, andere gar nicht erst eingeladen. Margot Käßmann und Konstantin Wecker wollten ein Programm zum Frieden präsentieren. Kein Bedarf, hieß es. Zu politsch, wurde gemunkelt.
Das Treffen in Nürnberg ist angesichts von Krieg, Pandemie, Klimawandel, Missbrauchsskandal und Kirchenaustritten wichtiger denn je. Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben. Deshalb ist Fernbleiben sicher nicht die Lösung. Die Agenda haben in der Vergangenheit nicht die Programmmacher bestimmt, sondern die Teilnehmer.
Weiterer Beitrag:
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.