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Nicht auszuhalten
Von Ralf-Uwe Beck
Wir müssten diese Bilder aushalten, meinte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): Bilder von Flüchtlingen an der belarussisch-polnischen Grenze. Es sind Bilder, die uns aufwühlen, uns mitfühlen lassen. Menschen, die frieren, die bei dieser Witterung im Wald kampieren müssen, die kaum zu essen und zu trinken haben. Darunter Kinder.
Uns erreichen Bilder von Gräbern, in denen Menschen beerdigt wurden, die an Unterkühlung gestorben sind. Für viele waren und sind diese Bilder aus den Nachrichten schwer auszuhalten. Das spürt auch der Ministerpräsident. Deshalb sagt er ja, wir müssten das aushalten. Aber die Menschen, die hungern, frieren und erfrieren, kommen gar nicht vor in seiner – nennen wir es – Betrachtung der Lage.
Dabei gehört das Wort „aushalten“ doch eher zu ihnen. Sie müssen doch aushalten, wofür sie gar nichts können. Lukaschenko hat sie instrumentalisiert, und er geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Die EU will dem nicht nachgeben und macht dicht. Aber dürfen wir deshalb an den Menschen, die festsitzen wie in einem Schraubstock, vorbeischauen?
Diese Bilder auszuhalten, das meint doch: Wir sollen unser Mitgefühl in die Abstellkammer verbannen. Wir sollen abstumpfen. Wir sollen die Bilder aushalten, damit wir uns raushalten. Ich meine, niemand sollte Leid, das vermieden werden kann, aushalten müssen. Niemand sollte, wenn er davon erfährt, das aushalten müssen. Niemand sollte solche menschenverachtenden Sprüche aushalten müssen. Wir dürfen widersprechen – im Namen Jesu und für die, die das Leid aushalten müssen.
Der Autor ist EKM-Pressechef und Sprecher beim MDR "Augenblick mal".
Autor:Online-Redaktion |
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