Klinikseelsorge
Besuch von der stellvertretenden Angehörigen
Nicht nur Pflegepersonal, auch Klinikseelsorger arbeiten derzeit im Ausnahmezustand. Sie sind wichtige Ansprechpartner in der Krise, um Menschen in Trauer, Angst und Unsicherheit Halt zu geben oder einfach nur zuzuhören. Beatrix Heinrichs sprach mit der Jenaer Klinikseelsorgerin Babet Lehmann über ihre Erfahrungen.
Wie erleben Sie derzeit die Situation auf den Stationen, beim Personal und den Patienten?
Babet Lehmann: Im Vergleich zum Frühjahr haben wir im Klinikum wesentlich mehr Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung. Durch die gesammelten Erfahrungen wirken die Abläufe aber sehr routiniert.
Ich erlebe auch auf den Covid-Stationen sehr freundliches und zugewandtes Pflegepersonal.
Wahrscheinlich ist durch die vielen Monate mit dem Virus auch so eine Art Gewöhnung eingetreten, und die Situation macht auf mich nicht mehr einen so angespannten Ein-druck wie im Frühjahr – obwohl die Zahlen damals zumindest hier so gering waren.
Die meisten Patienten, mit denen ich zu tun habe, äußern Verständnis für Maßnahmen wie das Besuchsverbot, leiden aber natürlich darunter. Die Psychologinnen ermöglichen Kontakte zu den Angehörigen über Telefon oder Videotelefonie mit Tablets. In Ausnahmefällen können nahe Angehörige zu Besuch kommen.
Wie gestaltet sich für Sie die Klinikseelsorge?
Ich kann uneingeschränkt auf alle Stationen. Zusätzlich zu den gemeldeten Patienten nennen mir Angehörige weitere Namen. So besuche ich nicht selten stellvertretend für die, die nicht ins Klinikum dürfen, die erkrankten Angehörigen. Dadurch ist derzeit sehr viel zu tun.
Was muss und was kann Klinikseelsorge im Lockdown leisten?
Neben den üblichen Seelsorgebesuchen sind wir mitunter auch als Vermittler zwischen Zuhause und Krankenhaus gefragt. Wir sind dadurch oft der einzige Kontakt zur Außenwelt.
Leider können wir unsere Angebote, Andachten zu halten, nur sehr eingeschränkt oder gar nicht realisieren.
Welche Folgen haben die langen Besuchseinschränkungen Ihrer Meinung nach?
Wenn alte Menschen lange im Haus sein müssen und isoliert von vertrauten Menschen sind, dann beobachte ich, dass sie mitunter schneller aufgeben. Demente Menschen verlieren schneller den Bezug zur Wirklichkeit, wenn sie kein vertrautes Gesicht mehr sehen.
In der Psychiatrie spielt oft auch die Angst vor dem "danach" eine Rolle. Manche werden in die völlige Einsamkeit entlassen, da die vor Corona üblichen Anlaufstellen geschlossen und Kontakte ja reduziert sind. Das ist eine große Not. Welche Folgen die monatelange Mehrbelastung beim Pflegepersonal hat, kann ich nur erahnen. Ich finde die Situation auch anstrengend, bin aber noch nicht müde davon.
Welche kreativen Lösungen für Ihren Dienst konnten Sie entwickeln?
Die Öffentlichkeitsarbeit am Klinikum hatte einen elektronischen Adventskalender produziert. Für die vier Adventssonntage und Heiligabend konnten mein katholischer Kollege und ich jeweils Andachten in der Kapelle halten, die aufgezeichnet wurden und für alle zugänglich waren. Außerdem hatte ich angefragt, ob es möglich sei, dass zu Weihnachten alle Patienten einen Weihnachtsbrief mit Gedichten, der Weihnachtsgeschichte und einem kurzen Anschreiben von uns auf ihr Frühstückstablett bekommen könnten. Dies war kein Problem. Und so war die Klinikseelsorge zu Weihnachten in allen Zimmern präsent.
In der Psychiatrie hatten wir Unterstützung von einer Gemeindepädagogin der Jenaer Kirchengemeinde, die einen Weihnachtsbaum samt Zubehör und sehr vielen von einem Kindergarten gebastelten Schmuck zur Ver-fügung stellte. Gemeinsam haben wir den Baum vor dem Haupthaus aufgestellt. Die Klinikleitung war dabei, und zwei Bläser sind auf dem Gelände unterwegs gewesen und haben Advents- und Weihnachtslieder gespielt. Das war auch an zwei weiteren Standorten der Fall.
Mich hat diese Erfahrung mutiger gemacht, Dinge auszuprobieren und im Klinikum zu fragen, ob so etwas möglich sei.
Autor:Online-Redaktion |
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