Autobahnkirche № 4
Doppelkirche Brehna in Sachsen-Anhalt an der A 9
Angespannt unterwegs auf der Autobahn? Zeit für eine Pause nach unzähligen Langstrecken-Kilometern? Wie wäre es mit einem Zwischenstopp? Etwa an einer Autobahnkirche: Durchatmen und eine Portion Ruhe tanken – um dann entspannt-besonnen weiterzufahren.
Das ist – stark verkürzt – die Idee der Autobahnkirchen. Um einige sehenswerte, offiziell „Autobahnkirchen“ genannte Gotteshäuser in Mitteldeutschland geht es in dieser kleinen Serie. Heute: die Autobahnkirche in Brehna bei Bitterfeld in Sachsen-Anhalt.
Die Doppelkirche St.-Jakobus-und-St.-Clemens-Kirche zu Brehna im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, Ortsteil der Stadt Sandersdorf-Brehna, in Sachsen-Anhalt ist eine evangelische Kirche.
Größe und Form dieser außergewöhnlichen Kirche ergeben sich aus den drei Nutzungsgeschichten der dort jetzt verbundenen, einst eigenständigen Bauwerke: des Kirchturms, der Klosterkirche „St. Clemens“ des angrenzenden ehemaligen Nonnenklosters und der Pfarrkirche „St. Jakobus“ der Kirchengemeinde Brehna.
Geschichte und Bauwerk
Die Stadt- und Klosterkirche St. Jakobus Major und das Augustinerinnen-Chorfrauenstift St. Clemens bieten seit fast neun Jahrhunderten Menschen Gelegenheit einzukehren, um Gottes Wort zu hören, zu beten und zu singen.
Sie ist Jakobus dem Älteren geweiht, zu dessen Grab in Santiago de Compostela die Menschen seit dem 8. Jahrhundert pilgern. So liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Brehnaer Pfarrkirche um eine entlegene Station des Jakobsweges handelt und dass schon in vorreformatorischer Zeit Menschen auf ihrem Weg nach Süden in der Kirche Ruhe und Einkehr fanden.
Auch deshalb wurde das Gotteshaus nach der Sanierung im Jahr 2003 zusätzlich für Reisende geöffnet.
Die Geschichte der Kirche ist eng verbunden mit der Geschichte von Dietrich I., von Hedwig von Brehna und von Katharina von Bora.
Der ursprüngliche Teil der Kirche ist romanisch: der Westquerturm aus dem 10. Jahrhundert, der wohl einst als Wartturm oder Schutzburg diente. Die Kirchturmwände sind zwei Meter dick. Das sich östlich anschließende Kirchenschiff ist ebenfalls romanisch. Es wurde als einschiffiger Bruchsteinbau errichtet.
Im Jahre 1156 übernahm Friedrich I. die Grafschaft Brehna. Nach dessen Tod gründete seine Gemahlin Hedwig von Bora am 15. August 1201 St. Clemens zu Brehna und machte es zu ihrem Witwensitz. Geweiht wurde die Stiftskirche im Jahre 1202. Im Jahr 1290 wurde ein Wohnhaus für Stiftsfrauen errichtet.
Die wohl bekannteste Schülerin des Stifts war Katharina von Bora (1499–1552), die – dort erzogen zwischen 1504 und 1508 – später Ehefrau von Martin Luther wurde.
Nach der Reformation begann der Niedergang des Klosters. Im Dreißigjährigen Krieg wurde es zerstört. Geblieben sind nur der Unterbau des Kapitelsaals und die Stiftskirche als halbes Schiff des Gesamtchores.
Im 17. Jahrhundert wurde der Kirchturm erhöht, er stürzte beim großen Stadtbrand 1713 ein.
Im Wesentlichen ist die äußere Form der Kirche bis heute unverändert geblieben. Als Symbol für die Reisenden findet sich an der Patronatsloge im Westteil der Kirche die Jakobsmuschel, die ihren Namen nach dem Patron der Kirche trägt.
Bis heute sind die hölzerne Kanzel und die am Schiff angefügten Strebepfeiler aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Die Ausstattung der Pfarrkirche entstand überwiegend im 17. und 18. Jahrhundert.
Bemerkenswert ist der mit barocken Elementen verzierte spätgotische Flügelaltar. Die Beichtstühle stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert.
Die Stadt- und Klosterkirche ist umgeben vom Kirchhof, der bis 1900 als Friedhof genutzt wurde. Dort ist jetzt ein etwa zwei Hektar großer Park mit verschiedenen Grabmälern des Klassizismus und der Gründerzeit.
Die Sanierung der Stadt- und Klosterkirche wird auch mit Spenden des Fördervereins Stadt- und Klosterkirche e.V. finanziert, welcher jährlich regelmäßig Veranstaltungen organisiert.
Altar
Eine kulturhistorische Besonderheit ist der spätgotische Flügelaltar aus dem 16. Jahrhundert: Im Mittelschrein steht die geschnitzte Holzfigur der „Heiligen Anna Selbdritt“, umgeben von zwei unbekannten Heiligen (möglicherweise Jacobus der Ältere und der Heilige Augustinus).
Der linke Flügel zeigt die Heiligen Georg und Martin und der rechte Flügel Stephanus und Margaretha. Auf den Flügelrückseiten zu finden sind die nach der Altarreinigung 2016 wieder erkennbaren Gemälde von der Heiligen Margaretha und der Heiligen Anna Selbdritt.
Die Predella zeigt ein Abendmahlsgemälde, darüber sind die Kreuzigung und die Auferstehung Christi zu sehen.
Orgel
Die im Jahr 1835 von Friedrich Wilhelm Wäldner erschaffene Orgel wurde am 8. November 2015 nach umfangreicher Restaurierung – ausgeführt von der Hermann Eule Orgelbau Bautzen – wieder geweiht.
Möglich wurde die Wiederherstellung der Orgel dank der zweckgebundenen Einzelspende von Wilfried Wilhelm Anclam. Die Orgel hat 22 Register auf zwei Manualen und Pedal.
Glocke
Der Stadtbrand 1713, bei dem der Kirchturm bis hinab zum achteckigen Untergeschoss zusammenbrach, zerstörte auch die vier Kirchturmglocken. Aus ihren Bruchstücken goss 1714 der Glockengießer P. Becker aus Halle eine neue Glocke – diese wurde 1999 repariert.
Bedeutsame Weg-Station
Die Doppelkirche in Brehna liegt am Lutherweg Sachsen-Anhalt, am Jakobspilgerweg und an der Straße spätgotischer Flügelaltare.
Autobahnkirche
Seit dem 10. Mai 2003 dient das Gotteshaus auch als Autobahnkirche, eröffnet vom damaligen Landesbischof Axel. Das Turm-Erdgeschoss beherbergt den „Raum der Stille“.
Die Kirche steht zwischen den Anschlussstellen Zörbig und Wiedemar an der Abfahrt Halle/Bitterfeld (Nr. 13) der A 9.
Die Autobahnkirche ist von beiden Fahrtrichtungen zu erreichen. Innerorts führt die Bundesstraße 100 in Richtung Halle und in Richtung Bitterfeld zur Kirche. Sie ist ganzjährig von 8 bis 18 Uhr geöffnet.
Autobahnkirchen werden angekündigt auf den braunen Informationstafeln entlang der Autobahn – den sogenannten touristischen Unterrichtungstafeln. Einfach mal ausprobieren – den Zwischenstopp an der Autobahnkirche!
Koordinaten: 51° 33′ 25,1″ N, 12° 12′ 48″ O
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Jakobus_und_St._Clemens_(Brehna)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)
Autor:Holger Zürch |
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