Kirchenasyl
«Gebetet, dass Gott uns aus den Schwierigkeiten herausholt»
Durch den Bruch des Kirchenasyls wurde ihr Schicksal der Öffentlichkeit bekannt: Ein kurdisches Ehepaar aus dem Irak darf vorläufig in Deutschland bleiben, deshalb kann es jetzt die Räume der Gemeinde in Nettetal-Lobberich wieder verlassen.
Von Michael Bosse (epd)
Dafür, dass Nahida und Dilshad in den vergangenen Wochen einiges durchmachen mussten, wirkt das kurdischstämmige Ehepaar recht gefasst. Ruhig sitzen beide am Tisch in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck in Nettetal (Kreis Viersen) und beantworten Fragen. Wobei vor allem die 38-jährige Nahida die Antworten gibt, da sie auch Arabisch spricht und mit dem Dolmetscher kommunizieren kann. Ehemann Dilshad (43) spricht nur Kurdisch. «Es ist für uns unvergesslich, dass Menschen, die uns nicht kennen, für uns gekämpft und sich eingesetzt haben», sagt sie. Dafür wollten sie allen Beteiligten und Unterstützern «Danke» sagen.
Der Kampf, zu dem im Juli unter anderem eine Mahnwache und Proteste vor der Ausländerbehörde in Viersen gehörten, hat sich gelohnt. Das Paar ist vor der drohenden Überstellung nach Polen geschützt. Dorthin wollten sie und ihr Mann nicht zurückkehren, weil sie von den polnischen Behörden «wirklich schlecht behandelt» worden seien, berichtet Nahida. Zwei frische Ausweise, die ihnen den Aufenthalt in Deutschland bis zum Abschluss des Asylverfahrens erlauben, haben sie nun zur Hand und können sich damit legitimieren.
Angesichts seines gesicherten Status kann das Paar das Kirchenasyl in der Gemeinde verlassen und wieder in einem Flüchtlingsheim der Stadt Viersen untergebracht werden.
Der Fall des kurdischen Paares aus dem Nordirak hatte für Aufsehen gesorgt, weil das Ausländeramt der Stadt Viersen entgegen einer Vereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der rheinischen Landeskirche die Eheleute bei einer unangekündigten Hausdurchsuchung am 10. Juli in Haft genommen hatte. Das Ehepaar sollte danach vom Flughafen Düsseldorf aus nach Polen gebracht werden, weil es dort nach der Ankunft in der EU seinen Asylantrag gestellt hatte. Wegen eines Zusammenbruchs der Ehefrau wurde die Rücküberstellung nach Polen aber abgebrochen, das Paar kam in Abschiebehaft in Darmstadt.
Der nächste Termin für eine Rücküberstellung wurde für den 25. Juli angesetzt, dann jedoch von der Stadt Viersen mit dem Verweis abgesagt, dass die Überstellungsfrist an diesem Tag ablaufe, das Asylverfahren auf die deutschen Behörden übergehe und erst weitere Fragen geklärt werden müssten. Zugleich betonte die Viersener Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) aber auch, dass die Ausländerbehörde der Stadt den Fall «rechtlich einwandfrei und absolut sauber abgearbeitet» habe. Grundlage dafür seien die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
Bei der Kirchengemeinde ist man jedoch nach wie vor fassungslos über das Vorgehen der Behörde. Der Umgang mit Menschen, die im Kirchenasyl lebten, sei «bundesweit geregelt», sagt Pfarrerin Elke Langer. Diese Regelungen habe die Viersener Behörde einfach über «den Haufen geworfen». Seit Ende Mai hatte das Paar ein Zimmer in den Räumen der Gemeinde bezogen.
Die Pfarrerin ist froh, dass sich die Stadt durch die Proteste der Gemeinde und der Bürgerschaft sowie die medialen Wellen eines Besseren besonnen hat. Zu den Akten gelegt ist der Vorfall - trotz des für das Paar glücklichen Ausgangs - nach Ansicht der Pfarrerin aber nicht. Man suche das Gespräch mit den Verantwortlichen und hoffe auf «Einsicht» und die Rückkehr zu einer Praxis, «die sich bewährt hat». Auch die rheinische Landeskirche hatte gegen das aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Vorgehen der städtischen Behörde protestiert.
Für das Paar selbst steht mit dem Umzug in die städtische Einrichtung eine neue Etappe an. Ehefrau Nahida räumt ein, dass sie morgens um sechs Uhr immer noch aufwacht und unruhig ist - das war die Uhrzeit, zu der Mitarbeiter der Behörde am 10. Juli in die Räume der Gemeinde eindrangen. Das Paar sei nach der Festnahme doch recht niedergeschlagen gewesen und habe wenig Hoffnung gehabt. «Ich habe oft gebetet, dass Gott uns aus den Schwierigkeiten herausholt», sagt die Sunnitin.
Nun hoffen die beiden auf einen möglichst schnellen und positiven Ausgang ihres Asylantrags. Beim jüngsten Termin im Ausländeramt sei von einem Zeitraum von sechs Monaten gesprochen worden, berichtet Marion Voelkel, ehrenamtliche Flüchtlingshelferin aus Viersen, die das Paar seit Januar betreut. Das sei allerdings eine recht ambitionierte Vorgabe.
Das kurdische Paar möchte jetzt möglichst schnell im deutschen Alltag ankommen und sich integrieren. Dilshad könnte sich vorstellen, einen Job in einem metallverarbeitenden Betrieb zu übernehmen, Ehefrau Nahida würde gerne als Übersetzerin in der Flüchtlingshilfe arbeiten.
Autor:Katja Schmidtke |
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