Musik
Musikhistorischer Streifzug in Gorsleben vom 16. bis zum 20. Jhd.
Durch schriftliche Überlieferungen lässt sich ein Teil der musikalischen Geschichte Gorslebens und seiner Persönlichkeiten bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Pfarrer Böhme aus Lossa erwähnt in seinem Buch ", Vier Jahrhunderte im Dienste der Kirchenmusik" dass es in Gorsleben bereits im Jahr 1539 einen Adjuvantenchor gegeben haben soll. Vermutlich würde somit Gorsleben zu den wenigen Orten in Thüringen zählen, in denen vor der Reformation ein Sängerchor existierte. Dieser Adjuvantenchor setzte sich aus Bauern, Handwerkern und Schülern zusammen, die zur sonntäglichen Kirchenmusik, bei besonderen Aufführungen sowie bei Hochzeits- und Begräbnismusik mitwirkte.
Zur damaligen Zeit war der musikalisch begabte Schulmeister zugleich Kantor und somit verantwortlich für die musikalische Ausbildung seiner Schüler. Im Jahr 1568 beantragte der Pfarrer Peter Treuer beim Weimarer Superintendenten Bartholomäus Rosin finanzielle Unterstützung, um einen Kantorgehilfen einstellen zu können, damit auch ärmere Kinder die Schule besuchen konnten. Vermutlich ist es diesem Pfarrer zu verdanken, dass Sethus Calvisius, der 1556 in Gorsleben geboren wurde und aus einem bescheidenen Elternhaus stammte, die Möglichkeit erhielt, die Schule zu besuchen. Ohne diese Unterstützung wäre ihm der Zugang zu schulischer und musikalischer Bildung wohl verwehrt geblieben.
In Heinrich Pfeils Buch „Neue und alte Musik-Geschichten“ aus dem Jahr 1881 wird berichtet, dass Seth Kallwitz frühzeitig sein musikalisches Gehör entwickelte. Ohne Notenkenntnisse erwarb er sich durch verschiedene Dienste die Gunst des Schulmeisters, um hinter ihm stehen zu dürfen, während dieser die Orgel spielte. So erlangte Kallwitz eine außergewöhnliche Reinheit und Sicherheit im Singen und seine Stimme galt als die schönste im ganzen Dorf. Man kann sich gut vorstellen, dass diese Geschichte mit der Realität übereinstimmt und oft beinhalten ja Geschichten einen wahren Kern, der sich in der weiteren Geschichte des Sethus Calvisius widerspiegelte. Im Jahr 1580 trat er an die Universität Leipzig. Eine Kirchenkassenrechnung aus Gorsleben weist aus, dass er in diesem Jahr 4 Gulden und 7 Groschen für sein Studium erhielt. Während seiner Studienzeit beschäftigte er sich mit Mathematik, Chronologie, Astronomie und Musik und wurde im folgenden Jahr Rektor des Chores an der Paulinerkirche in Leipzig. Im November 1582 übernahm er das Amt des Kantors in Schulpforta und 1594 wurde ihm das ehrenvolle Amt des Kantors an der Thomasschule in Leipzig sowie an beiden Hauptkirchen übertragen. Ab diesem Zeitpunkt nannte er sich Sethus Calvisius.
Calvisius blieb sein Leben lang mit Gorsleben verbunden. Zwei Jahre vor seinem Tod schenkte er der Kirche den achten Band von Luthers Werken mit einer persönlichen Widmung. Ab 1819 hing in der Bonifatiuskirche ein Ölgemälde von ihm, das der Rat der Stadt Leipzig gestiftet hatte.
Im Jahr 1693 wird von einer Orgel in Gorsleben berichtet, die über 12 klingende Stimmen sowie Heerpauken, Vogelsang und Brummlaute verfügte und jährlich von dem Orgelbauer Papenius gestimmt wurde. Die heutige Orgel stammt aus dem Jahr 1784 und wurde von Hartung aus Kölleda, wahrscheinlich unter Verwendung der Stimmen der alten Orgel, gefertigt. Ein größerer Umbau erfolgte 1880 durch den Orgelbaumeister Friedrich Meißner, der 1878 die Orgelbaufirma Meißner & Sohn in Gorsleben gründete. Diese Familie war im Thüringer Raum von großer Bedeutung; Friedrich Meißner vollendete beispielsweise von 1874 bis 1878 den schwierigen Umbau der berühmten Bachorgel in Arnstadt.
Zahlreiche neue Orgeln wurden von ihm in dieser Zeit gebaut, darunter in Dermsdorf, Hemleben und Oldisleben. Eine erhaltene Orgel aus der Spätromanik in Kleinmölsen hat heute einen besonderen Stellenwert als eines der wenigen überlieferten Werke von Friedrich Meißner, so auch die Orgel in Hemleben.
Hans Lorenz Zion, ein angesehenes Mitglied der Gorslebener Kirchengemeinschaft, wurde in der Begräbnissurkunde von 1733 als „ein nicht weniger gewesener Musikus und Adjuvante bei dem Chore musico allhier“ bezeichnet, was die Existenz eines Adjuvantenchors auch im 18. Jahrhundert bezeugt. Johann Jonas Avenarius wirkte ab 1755 als Organist in Gorsleben und war gleichzeitig Kantor in Oldisleben. Als Sohn des bekannten Organisten Nicolaus Avenarius aus Steinbach hat er sicherlich sehr großen Einfluss auf die musikalischen Bildung seiner Schüler gehabt. J. W. Poppe, der von 1840 bis 1893 Organist in Gorsleben war, verfasste unter anderem das „Thüringer Liederbuch für Jung und Alt“.
Gorsleben zählt zu den Ortschaften der Stadt An der Schmücke. In allen dieser Ortschaften existierten über mehrere Jahrhunderte (!) Adjuvantenchöre und es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass viele heute berühmte Musiker dieser Region ihre musikalische Erstausbildung in diesen Chören erhielten.
Autor:Ines Telle |
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