Tod und Trauer
«Wenn wir uns wiedersehen»

Foto:  epd-bild/Norbert Neetz

«Da ist noch was»: Die Vorstellung, dass der Tod nicht das Ende ist, dass Verstorbene in irgendeiner Form noch da sind, kann für Trauernde tröstlich sein - nicht nur für gläubige Christen.

Von Michael Ruffert (epd)

Patrick Lange hat seine Mutter beim Marathon bei Kilometer fünf gespürt. «Da war eine kleine Bucht, wo wir vor Jahren schwimmen waren», erinnerte sich der Triathlet im «Aktuellen Sportstudio» des ZDF an seinen Ironman auf Hawaii im vergangenen Jahr. Plötzlich sei eine Verbindung da gewesen: Er habe es wie «einen Blitz» gespürt. «Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper», berichtete der 38-Jährige. Es habe ihm weiter Motivation gegeben. Lange überholte den führenden Konkurrenten, gewann seinen dritten Weltmeistertitel. Den Sieg widmete er seiner Mutter.

Langes Mutter war Jahre zuvor an Krebs gestorben. Doch bei seinem Kampf um die «Krone im Triathlon», den Weltmeistertitel auf Hawaii, habe er gefühlt, «dass sie da war».

Der Wunsch oder der Glaube, dass der Tod nicht das Ende ist, dass verstorbene Angehörige in irgendeiner Form «noch da» sind, dass man sie vielleicht nach dem eigenen Tod einmal wiedersieht, ist verbreitet - nicht nur unter gläubigen Christen.

«Es gibt verschiedene Umfragen, aber rund zwei Drittel der Menschen glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt», sagt Sabine Pemsel-Maier, katholische Theologieprofessorin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Dabei seien die Vorstellungen nicht immer religiös getragen, sondern sehr «plural»: «Nach dem Motto: Da ist noch was», sagt Pemsel-Maier.

Für Christen ist der Gedanke an das ewige Leben mit Ostern verbunden. Jesus, der Sohn Gottes, steht am dritten Tag nach seiner Kreuzung wieder auf von den Toten. Für Pemsel-Maier ist diese Auferstehung «relevanter Bestandteil meines Glaubens als Hoffnung, nicht als Wissen», sagt die Theologin. Denn wie genau die Auferstehung erfolgt ist und wie es nach dem Sterben eines jeden vielleicht weitergeht, «das weiß nun mal niemand».

Karl Henschel, langjähriger evangelischer Pfarrer in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Haltern am See, hat festgestellt, dass viele Trauernde auf ein «Leben nach dem Tod» und ein Wiedersehen mit Verstorbenen hoffen. Die Vorstellungen seien aber verschieden, oft sehr «nebulös». «Das Adjektiv 'irgendwie' kommt häufig vor», berichtet er. In der Trauerphase nach Beerdigungen von Gemeindemitgliedern habe er oft bemerkt, dass beispielsweise Witwen am Grab ihrer Männer durch die Zwiesprache «Antworten auf ihre Fragen und Probleme erfahren».

Die Suche nach Trost, wenn geliebte Menschen sterben, hat auch eine psychologische Komponente: «Die größte Herausforderung im Leben ist die Tatsache, dass wir sterben», sagt der Berliner Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger. Der Tod und die Endlichkeit sei die «Urkatastrophe», es stelle sich dann die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Für viele Menschen sei daher der Wunsch oder Glaube, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende sei, sehr präsent. In der Therapie sei das gerade bei älteren Patienten oft auch Thema. Es sei keine Seltenheit, dass verstorbene Angehörige in den Gesprächen eine Rolle spielten.

«Für mich persönlich ist auch meine Großmutter noch sehr präsent, bei der ich aufgewachsen bin», beschreibt Krüger auch private Empfindungen. Er führe öfter Zwiegespräche mit seiner «Oma».

Der Umgang mit dem Tod von nahen Angehörigen hat auch in Popsongs Einzug gehalten. Peter Maffay hat ein Lied für seinen verstorbenen Vater komponiert, das er zusammen mit dem Sänger Johannes Oerding sang, dessen Vater ebenfalls gestorben ist. Auf einem Konzert in Rostock kündigte er das Lied an: «Wenn jemand stirbt, mit dem man sein ganzes Leben verbracht hat, entsteht ein großes Vakuum», sagte Maffay, ein Schmerz, den man kaum verarbeiten könne. Eines helfe manchmal darüber hinweg: «Eine Hoffnung, die niemand bestätigen kann, dass man sich irgendwann wiedersieht.»

Unter dem Youtube-Video des Konzertes und des Liedes «Wenn wir uns wiedersehen» findet man zahlreiche Kommentare von Menschen, die bewegt sind oder ebenfalls trauern. Eine «Anna» schreibt, dass sie gerade ihren Mann verloren habe und dieses Lied ihre Gedanken wiedergebe.

Der Göttinger evangelische Theologieprofessor Wolfgang Reinbold betont, dass die Osterbotschaft, also der Glaube an die Auferstehung und das ewige Leben, natürlich für Trauernde im Gedenken an verstorbene Angehörige «sehr tröstlich» sei. Er erinnert daran, dass die biblische Rede von Gott, dem Vater, und Jesus, seinem Sohn, im Wesentlichen metaphorisch, also bildhaft sei. «Der sachliche Kern der Rede von der Auferweckung der Toten ist die Botschaft: Gott lässt die Toten nicht im Tod. Er hat die Macht des Todes überwunden», erläutert er.

Dass dieser Gedanke auch Menschen hilft, die dem Tode nah sind, hat Reinbold selbst erfahren. Er habe auf einer Palliativstation erlebt, wie einfühlsam das Personal mit sterbenden Menschen umgegangen sei, berichtet der Theologe. Dabei sei nach seinem Eindruck die Endlichkeit nie absolut gesetzt worden. Vielmehr sei die Botschaft an die Schwerkranken gewesen: «Es gibt nicht die radikale Beziehungslosigkeit, es kommt irgendwas, was wir weiter noch nicht greifen können.»

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