Nahostkonflikt
«Das ist kein Wettbewerb»

Foto: epd-bild/Rana Salman

Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 war ein Einschnitt für die «Combatants for Peace». Doch die israelisch-palästinensische Initiative setzt sich weiter für ein friedliches Zusammenleben ein - allen Widrigkeiten zum Trotz.

Von Elisa Rheinheimer (epd)

Gemeinsam an einem Tisch sitzen, dem Gegenüber zuhören, zusammen trauern: Für die Aktivisten der Friedensorganisation «Combatants for Peace» ist das nichts Neues. Seit rund 20 Jahren arbeiten Israelis und Palästinenser hier zusammen und bauen Brücken zwischen ihren Gesellschaften.

Doch die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 waren «ein Schock für uns», sagt die Palästinenserin Rana Salman. Diese hätten die Bewegung zutiefst erschüttert, betont die Co-Vorsitzende der 2006 gegründeten Graswurzelbewegung. «Nach so viel vorangegangener Ungerechtigkeit, der zunehmenden Gewalt der Siedler und dem Ausmaß an Hass und Spaltung hatten wir damit gerechnet, dass etwas passieren würde», sagt Salman. «Aber dass es so schlimm sein würde, hatte niemand erwartet.»

Die Organisation, deren Name sich als «Kämpfer für den Frieden» ins Deutsche übersetzen lässt, entstand aus ehemaligen Angehörigen der israelischen Armee sowie militanten Palästinensern. Beide Seiten kennen die leidvolle Spirale aus Gewalt und Gegengewalt. Nun setzen sie sich für Verständigung ein, etwa indem sie jährlich einen Gedenktag für alle Opfer der israelisch-palästinensischen Kriege und Konflikte organisieren.

Die Gewalt vom 7. Oktober und ihre Folgen haben die Arbeit der Friedensaktivisten auf eine harte Probe gestellt. Viele Aktivitäten mussten zunächst eingestellt werden, weil es überall Straßensperren gab und kein Durchkommen möglich war. Zwei Monate lang konnte Salman nicht mal mehr das Bethlehemer Büro der Organisation erreichen, das 15 Minuten von ihrem Haus entfernt liegt.

Doch ihnen war klar, dass die Zusammenarbeit weitergehen musste. Und so stellten sie zunächst auf Online-Arbeit um, bevor persönliche Treffen wieder möglich waren. «Geholfen hat uns, dass unsere Organisation ein starkes Fundament hat», sagt Salman. «Bei unseren Treffen schaffen wir einen sicheren Raum, um Gefühle und Ängste zu teilen. Wir spüren den Kummer des anderen, wir trauern gemeinsam, wir klagen gemeinsam.» Es gehe darum, aktives Zuhören zu üben. «Es ist kein Wettbewerb, wessen Schmerz größer ist, wer mehr verloren hat oder wer das Opfer ist.»

Salmans israelischer Kollege Yair Bunzel sagte einmal in einem Interview: «Wenn das eigene Herz voller Angst, Schmerz und Wut ist, dann wird es schwierig, noch Platz zu finden für den Feind und sein Leiden.»

Unmittelbar nach dem 7. Oktober herrschte jedoch zunächst eine große Sprachlosigkeit. Israelische Mitglieder der Organisation fanden es befremdlich, dass sich die palästinensischen Kolleginnen nicht sofort nach ihnen erkundigten und das Ausmaß der Brutalität allem Anschein nach nicht begriffen. Erst durch Gespräche wurde klar, dass die palästinensischen Medien nur Bilder fallender Grenzzäune gezeigt hatten und die Massaker unerwähnt geblieben waren. Rana Salman hat schließlich wie viele andere erst über die sozialen Medien erfahren, was wirklich los war. Da sei das Beschämen groß gewesen, sagt sie.

Nicht alle haben es geschafft, die Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Manche Mitglieder sind ausgetreten. Andere suchen die Nähe und Zusammenarbeit gerade jetzt. Salman berichtet von einem palästinensischen Aktivisten, der durch den Krieg über 60 Familienmitglieder in Gaza verloren hat - und sich weiterhin bei den «Combatants for Peace» engagiert.

Auch hat die Bewegung neue Mitglieder auf beiden Seiten gewonnen, die Spenden sind ebenfalls gestiegen. Dass jedoch direkt nach dem 7. Oktober viele internationale Finanzierungszusagen gekürzt, gestoppt oder verzögert wurden, hat Salman und ihre Kollegen enttäuscht. Die Begründung, dass erst geklärt werden müsse, «ob wir Terrororganisationen unterstützen», fand sie bestürzend - ebenso wie das teilweise in Europa vorherrschende Bedürfnis, einseitig Partei zu ergreifen. «Der Nahostkonflikt ist doch kein Fußballspiel, bei dem man sich für eine Seite entscheidet.»

Gerade in diesen Zeiten sei die Investition in Friedensarbeit unerlässlich, sagt Salman. Von den Kirchen in Deutschland wünscht sie sich mehr Unterstützung und Solidarität, «aber nicht nur für Palästinenser». Gemeinden und Gläubige sollten binationale Initiativen unterstützen, die Menschen an einen Tisch bringen - so wie ihre Organisation.

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