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Blickwechsel
Ein Netzwerk der Versöhnung

Auch am Garnisonkirchturm in Potsdam gibt es eine Nagelkreuzkapelle. | Foto:  epd-bild/Christian Ditsch
  • Auch am Garnisonkirchturm in Potsdam gibt es eine Nagelkreuzkapelle.
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Die Geschichte der Nagelkreuzgemeinschaft beginnt im Zweiten Weltkrieg. Im November 1940 fliegt die deutsche Wehrmacht einen verheerenden Luftangriff auf die britische Stadt Coventry. Rund 550 Menschen sterben, große Teile der Stadt liegen in Trümmern, unwiderbringliche Kulturschätze sind für immer verloren.

Von Oliver Gierens

Auch die Kathedrale der Stadt brennt bis auf die Grundmauern nieder. Ein Steinmetz findet in der Ruine zwei Dachbalken, die in Form eines Kreuzes übereinander liegen. Er bindet sie zusammen und stellt sie in der zerstörten Kirche auf.

Dompropst Richard Howard lässt zwei Worte auf die Wand hinter dem Altar schreiben: "Vater vergib" – das erste der Jesusworte am Kreuz bei Lukas. Das dritte Wort "ihnen" lässt er bewusst weg. Howard erinnert so an die Paulusworte im Römer- und Epheserbrief, dass wir alle Sünder sind und der Vergebung bedürfen. Daraus entsteht 1959 das Versöhnungsgebet von Coventry, das bis heute jeden Freitag in der Ruine der Kathedrale und an zahlreichen Orten weltweit gebetet wird.

Erst 1962 ist die Kathedrale von Coventry wieder aufgebaut. Da hat der Geist der Versöhnung bereits um die Welt gegriffen. Für Richard Howard bedeuteten die Worte „Vater, vergib“, den ehemaligen Kriegsgegnern die Hand zu reichen. Nicht der Wille zur Vergeltung sollte die Nachkriegszeit prägen, sondern die Hoffnung auf Vergebung, Versöhnung und Frieden.

Schon am Weihnachtstag 1940 rief Howard in einer Rundfunkansprache aus der Ruine der Kathedrale dazu auf, keine Rache zu üben, sondern gemeinsam mit den Feinden nach Ende des Krieges an einer neuen Welt zu arbeiten, die dem Christuskind ähnlicher werde. Als Zeichen dieser Verpflichtung und Verheißung formte Pfarrer Arthur Wales aus drei Zimmermannsnägeln aus den Dachbalken der zerstörten mittelalterlichen Kathedrale ein „Nagel-Kreuz“.

Erste Städtepartnerschaften in Deutschland entstanden zwischen Coventry und Kiel sowie 1959 mit Dresden, wo die Frauenkirche ebenfalls in Trümmern lag. Später kamen andere deutsche Städte wie Berlin, Hamburg, Münster oder Ottobeuren hinzu. Inzwischen gehören über 60 Orte in Deutschland dem Netzwerk an.
Die Nagelkreuzgemeinschaft ist zu einer weltumspannenden Aktion geworden. In rund 160 Orten rund um den Globus wird aktuell das Versöhnungsgebet gesprochen, etwa in Polen, Nordirland, Bosnien-Herzegowina, Israel, Südafrika, den USA und Indien. Ziel des Netzwerks ist nach eigenen Angaben, die Wunden der Geschichte zu heilen, mit Unterschiedlichkeit zu leben, Vielfalt zu feiern und eine Kultur des Friedens zu schaffen.

Das Gebet lautet:

"Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.
Den Hass, der Nation von Nation trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist, Vater, vergib.

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, Vater, vergib.

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen, Vater, vergib.

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht, Vater, vergib.

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott, Vater, vergib.

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. Amen."

Autor:

Online-Redaktion

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