Hagia Sophia
Kirche zwischen den Fronten
Der Osnabrücker Islamexperte Rauf Ceylan hat die Umwandlung der Istanbuler Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee scharf kritisiert. Die Entscheidung sei ein historischer Fehler und auch in theologischer Hinsicht fragwürdig, sagte Ceylan. «Christliche Gotteshäuser sind im Islam geschützt. Für die christlich-orthodoxe Welt ist die Hagia Sophia immer noch wichtig. Tausende Gläubige pilgern jedes Jahr dorthin. Das ist ein Stich ins Herz der orthodoxen Welt.»
Rein funktional sei die Entscheidung Erdogans nicht nachvollziehbar, sagte der stellvertretende Leiter des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. «Niemand braucht diese Moschee. Direkt gegenüber befindet sich die Blaue Moschee.» Zudem habe auch die Hagia Sophia Räume, die für muslimische Gebete offen stehen. Ceylan befürchtet, dass Erdogans Anweisung den Dialog von Muslimen und Christen in Deutschland belasten könnte. «Das ist Wasser auf die Mühlen der Moscheekritiker hierzulande.» Er sieht allerdings kaum eine Chance, dass Erdogan seine Entscheidung rückgängig macht. Sogar eine bereits ins Spiel gebrachte Kompromisslösung, die Hagia Sophia freitags für Muslime und sonntags für Christen zu öffnen, halte er für wenig wahrscheinlich: «Das wird Erdogan nicht zulassen.»
Der Ostkirchen-Experte Erich Leitenberger hat indes einen rücksichtsvollen Umgang mit der Geschichte des Gebäudes angemahnt. «Wir hoffen mit allen Freunden der byzantinischen Kunst sowie mit vielen gläubigen Christen, dass der religiöse Bildschmuck der Hagia Sophia erhalten bleibt und nicht abgedeckt wird», sagte der Pressesprecher der Wiener Stiftung «Pro Oriente».
Leitenberger verwies auf die gleichnamige byzantinische Kirche in Trabzon im Nordosten der Türkei am Schwarzen Meer. Auch diese Hagia Sophia wurde während der osmanischen Herrschaft in eine Moschee umgewandelt, war seit 1964 ein Museum und wird seit wenigen Jahren wieder als Moschee genutzt. Dort würden während der muslimischen Gebetszeiten die christlichen Fresken und Mosaike mit Vorhängen vor den Blicken der Betenden verborgen. In der Istanbuler Hagia Sophia waren die Fresken und Mosaike im 20. Jahrhundert wieder freigelegt worden.
Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee bezeichnete Leitenberger als «traurigen Vorgang». Diese Maßnahme trage nicht dazu bei, den interreligiösen Dialog zu stärken und Vertrauen zu schaffen. Das sei gerade in dieser Zeit bedauerlich, in der alle Nationen und Menschen vor großen Herausforderungen stehen. Es sei kein Zufall, dass die Verwaltung der Hagia Sophia sofort dem Diyanet, dem Präsidium für Religionsangelegenheiten in der Türkei, übergeben wurde, fügte Leitenberger hinzu. Allerdings könne man die Hagia Sophia außerhalb der Gebetszeiten besuchen. Aber nur muslimische religiöse Handlungen seien in Zukunft darin erlaubt.
Auf die Hagia Sophia erheben Christen wie Muslime gleichermaßen Anspruch. Sie wurde als «Kirche der göttlichen Weisheit» im Jahr 537 geweiht und war fast ein Jahrtausend lang die christliche Hauptkirche Konstantinopels. Als die Osmanen 1453 die Stadt eroberten, wurde sie zur Moschee umfunktioniert. In den 1930er Jahren wandelte Atatürk sie in ein Museum um – dieser Beschluss wurde am vergangen Freitag mit einem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei annulliert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte im Anschluss verfügt, dass am 24. Juli erstmals offiziell islamische Gebete in der Hagia Sophia abgehalten werden sollen. Stephan Cezanne (epd)
Autor:Online-Redaktion |
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